Inzwischen bin ich sechseinhalb Wochen Mutter. Wir haben das Glück, ein regelrechtes „Anfängerbaby“ zu haben: Meist zufrieden, und wenn geschrieen wird, dann geht’s meist um eine volle Windel, einen leeren Bauch oder mehr Nähe. Mamasein sollte also ganz easy sein… aber ist es das wirklich?
In meinem vierten Bericht zum Wochenbett habe ich schon angedeutet, dass trotz unseres entspannten Kindes nicht immer alles einfach war (und ist). Es gibt Tage, da überrollt mich die Mutterliebe wagenladungsweise und ich kriege gar nicht genug von den runden Bäckchen, der zarten Haut und dem Warten aufs erste richtige Lächeln. Und dann wieder gibt’s Momente, in denen alles zu viel wird – und ich nicht mal genau weiß, was dieses alles eigentlich ist.
Ein Baby ändert das Leben… und du weißt nichts darüber
Vor allem fehlt mir dann die Zeit, darüber nachzudenken. Als ich schwanger war, haben mir ständig Leute erzählt, dass sich das ganze Leben verändern würde, wenn unser Baby erst mal da ist. „Sicher“, hab ich gedacht, „kurze Nächte, Stillen, Milchflecken auf dem Hemd und zum Essen komme ich bestimmt auch nicht mehr. Und ich muss dann auch eine Krabbelgruppe suchen und so Babykrams da machen. Erzähl mir nichts von ändern: Ich weiß doch Bescheid! Hab mir das ja vorher gründlich überlegt.“
Ja, Pustekuchen. Ich dachte, ich wüsste, was auf uns zukommt. Ich hatte ja auch neun Monate Zeit, mich damit auseinanderzusetzen. Doch als die Veränderung dann in Gestalt dieses kleinen, natürlich total süßen, aber vor allem total von mir abhängigen Menschlein da war, überrollte es mich trotzdem. Mich überrollte die Tatsache, dass mein Tag und sämtliche To-Dos von den Bedürfnissen und der Tagesform meines Babys abhängig sind. Ich kann mir nichts mehr vornehmen und das durchziehen: Wenn das Baby keine Pause genehmigt, ist nichts mit irgendwas. Dann wird gestillt, gewickelt oder beim Schlafen Gesellschaft geleistet. Pläne sind hinfällig, und man weiß morgens nie, wie der Tag werden wird. Für einen Leistungsmenschen wie mich bedeutet das in anderen Worten pures Chaos.
Ab in den Kaninchenbau
Ich stürzte ins Muttersein wie Alice in den Kaninchenbau: völlig unvorbereitet. Und das Heftigste ist, dass ich so gut wie keine Zeit habe, all die neuen Erfahrungen zu verarbeiten, die da auf mich einprasseln. Diese halbe Stunde, in der ich jetzt diesen Text schreiben kann, ist ein Geschenk: Fips döst und brabbelt neben mir; ausnahmsweise zufrieden mit dem Klappern der Tastatur als Mittagsschläfchensoundtrack. Doch wenn demnächst wieder ein Donnerfurz in die Windel knattert oder mein Dienst als Milchmädchen verlangt wird, werde ich den Rechner zuklappen. Mitten im Satz, mitten im Gedanken. Blog aus, Mamamodus an.
Umso kostbarer sind diese Minuten, um meinen Kopf und meine Seele zu sortieren. Mein Herz ist zum Glück gesund; hier herrscht reine, bedingungslose und unkaputtbare Liebe zu diesem kleinen Wesen. Ansonsten bin ich manchmal wie zerrissen: Vermutlich war es in dieser Viertelstunde selbstbestimmter Klo-und-Dusch-Zeit (die man bekommt, wenn der Mann endlich Feierabend hat und das Baby bei ihm gut aufgehoben ist), als ich darauf kam, dass ich seit der Fips-Geburt viel mehr bin als vorher. Schizophren, möchte man fast sagen.
Vier Seelen wohnen – ach! – in meiner Brust
Denn Mutter will ich sein und Mutter bin ich, das ist die höchste Priorität. Partnerin will ich auch sein, denn ohne Liebe habe ich nicht genug Kraft für alles andere. Es darf nicht nur die Fipsmama und den Fipspapa geben, sondern auch ganz privat uns; dich und mich; Ehemann, Ehefrau. Liebende, Freunde, partners in crime. Und dann war da die Perfektionistin, die ein Verlottern des Haushalts nicht hinnehmen wollte und die sämtliche Meerschweinchen versorgt haben will. Und außerdem (ganz ehrlich) haben wir mit dem Hausbau nebenbei manchmal wirklich dringendes Zeugs zu organisieren, das auch auf Babys keine Rücksicht nimmt.
Und mein altes ICH ist da auch noch irgendwo – mein altes ICH, das Yoga vermisst, das Tanzen und Musik vermisst, das Schreiben und Nach-Denken für das innere Gleichgewicht dringend braucht; das einfach nur mal durchatmen will, ganz frei, ohne Verantwortung. Nur so.
Dass diese vier verschiedenen Rollen so unablässig wie erfolglos in mir um die Vorherrschaft kämpften, ist wohl klar. Theoretisch. Praktisch war ich einfach nur sehr überfordert mit diesem Kampf. Ich fühlte mich, als könnte ich nichts richtig machen, keine Rolle wirklich ausfüllen. Die Erkenntnis, dass nun über Nacht – ach! – vier Seelen in meiner Brust wohnten, war schon mal ganz gut für den Anfang. Jetzt war mir wenigstens klar, wieso ich mich derartig am Limit fühlte. Und das Warum zu wissen, machte es schon mal leichter.
Zurück ins Wunderland
Jetzt suche und lerne ich, Wege zu finden, die Dinge wieder ermöglichen. Mit einem Fips im Tragesack kann ich wieder kochen und abwaschen und aufräumen und sogar einigermaßen staubsaugen (vorausgesetzt, Fips ist die Manduca gerade genehm). Mit dem Fipspapa rede ich viel über unsere neue Partnerschaftslage und wir haben Dinge wie den Babyübergabe-Kuss eingeführt, damit wir zwischen „mach‘ du die Windel, dann koch‘ ich das Essen“ schnell ein Häppchen Liebe genießen können. Außerdem erschleiche ich mir ab sofort (fast) jeden Abend eine halbe Stunde Yoga für den inneren Frieden. Und ich schreibe, wann immer es geht. Denn Schreiben – Bloggen! – macht mich leichter, macht den Kopf freier, beruhigt die Gedanken und gibt mir das Gefühl, auch immer noch ich selbst zu sein.
Und ich merke, wie ich glücklicher mit unserem neuen Alltag werde. Morgens weiß ich nicht, wie der Tag sein wird. Ich weiß, dass Fips morgens gut gelaunt ist und ich genieße unsere Wasch- und Scherzroutine. Kann ich mein Müsli in Ruhe essen? Keine Ahnung. Werden wir mittags spazieren gehen? Aber sicher. Werde ich danach Zeit haben, etwas für mich zu tun? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Wird Fips den Nachmittagsbesuch zur Tür rausschreien oder das Getümmel begrüßen? Kann ich in Ruhe duschen gehen oder muss ich splitternackt noch mal eine unaufschiebbare Stillrunde einlegen? Dauert das abendliche Erzählen ein paar Minuten oder wird sich bis nach Mitternacht der Kopf heiß gebrüllt? Stille ich sechs Mal die Nacht oder entscheidet sich Fips, sechs Stunden am Stück zu schlafen? K-e-i-n P-l-a-n.
Aber ich versuche, all dem zu begegnen wie Alice dem Wunderland: staunend vielleicht, aber mit offenem Herzen und so ruhig wie ich kann. Und an den meisten Tagen bin ich jetzt sogar mehr die relaxte Grinsekatze und weniger der gehetzte Märzhase. Also entspannt euch, ihr Mamas. Wir finden uns wieder und es wird Teezeit sein ❤
Herrlich, du sprichst mir aus der Seele! Danke für die klaren Worte!
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Liebe Bettina, vielen Dank! Ich freue mich sehr 🙂 Und schön, nicht allein damit zu sein…
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Meine Tochter ist inzwischen ein Jahr alt. Und es hat bis jetzt quasi gebraucht um mich in mein neues Leben (partnerlos inzwischen mit behindertem Kind ) einzufinden. Danke für deine Worte sie bedeuten so viel
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Wow, das ist ein kurzer Text, der mich aber ganz schön umgehauen hat. Ich freue mich sehr, wenn ich ein klein bisschen Mut oder Kraft oder einfach nur Dubistnichtallein schenken konnte…
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