Auf Aussehen wurde bei mir zuhause nie besonders viel Wert gelegt. Wie sehr ich mich selbst trotzdem als Kleiderständer im Sinne der gängigen Schönheitsideale betrachtet habe und wie sehr mich das von meinem wahren Körper entfremdet hat, habe ich erst durch Schwangerschaft und Geburt festgestellt.
Zum einen sind da die Körperfunktionen. Ich weiß noch, wie pikiert ich war als ich von einer Bekannten-um-drei-Ecken zu Beginn der Schwangerschaft eine Tüte mit ihren nicht mehr benötigten Vorräten an Wochenflusseinlagen, Brustwarzensalbe und Co. bekam. Was für intimes Zeug schenkt mir diese Frau denn da?, dachte ich. Das ist mir jetzt aber unangenehm.
Ich wollte nicht, dass jemand denken könnte, dass ich so etwas wie wunde Brustwarzen haben könnte! Oder Wochenfluss! Igitt! Das würde zwar (leider) dazugehören, aber das ich würde klammheimlich irgendwo im dunklen Kämmerchen abhaken und damit basta.
Von Einhornpupsen und anderem Bockmist
Oder das Thema Verdauung. Das hat erst recht auf dem stillen Örtchen stattzufinden: Wenn dem Mann meines Lebens überhaupt einfallen sollte, dass seine Frau so etwas Unerotisches tut, dann möge er dabei bitte an Rosenduft und Regenbögen denken. So habe ich vor der Schwangerschaft gedacht. Während der runden neun Monate waren mir die teils unvermeidlichen Blähungen auch ziemlich peinlich – obwohl er selber sich im Bauarbeiter-Style da deutlich ungezwungener verhält. Aber ich fand (okay, finde) das nicht sexy und deswegen behielt ich meine inneren Querelen lieber für mich.
Gut, Pipi und Kacka sind privat und gehören ins Klo, da stimme ich nach wie vor zu. Aber wie wichtig der reibungslose Ablauf dieser Querelen ist und dass dies nicht der Gipfel der Peinlichkeit ist, habe ich während der letzten Wochen auch mitbekommen. Immerhin braucht es verständliche Worte, um dem Partner zu erklären, dass man nicht wegen ihm schlecht drauf ist, sondern weil einem seit Tagen ein Stein in den Eingeweiden liegt (und Verstopfung ist ungemütlicherweise sowohl kurz vor als auch kurz nach der Geburt ein furchterregendes Thema). Auch die Hebamme fragt unverblümt danach und so lernte ich, auch unverblümter zu antworten.
Außerden kann der Körper kann ja mehr. Besonders die Brust wurde nicht gemacht, um in einem fabulösen Dekolleté gut auszusehen (obwohl auch diese Funktion nicht zu verachten ist): Sie wurde gemacht, um kleines Leben zu nähren. Und idealerweise sollten die Brustwarzen dabei nicht Zetermordio schreien: Sie brauchen also Pflege (und haben sie auch verdient). Daran ist nicht nichts, was mir unangenehm sein müsste, und dasselbe gilt für den Status von Geburtsverletzungen oder die Freude darüber, mit einem ausgeleierten Beckenboden endlich wieder niesen und husten zu können.
Es sind keine Themen für jedes Gespräch, klar. Es muss nicht jeder alles über meine Brust-Darm-Beckenboden-Zustände wissen. Aber unter (werdenden) Müttern und vor allem vor mir selbst kann ich über meine vorgeburtliche Etepeteteterie inzwischen lachen. Und so wühle ich jetzt interessiert in der geschenkten Tüte und denke beim Anblick von Heilwolle und dergleichen nur noch ach, wie praktisch! Außerdem überlege ich, meine angebrochenen Wochenbettvorlagen ebenfalls weiter zu verschenken. Und wieso? Weil dieses Geburtszubehör einfach verdammt wichtig ist und Körperflüssigkeiten wie diese kein Grund für Peinlichkeit.
Auf dicken Beinen ins Leben Gehen
Die letzten Monate haben mein Körperbild verändert. Ich habe mich nie sehr wohl in mir gefühlt. Als Teenager hielt ich meine Beine für zu dick und habe mich im Sommer ewig weder ins Schwimmbad, noch in kurzen Hosen vor die Tür getraut. Heute schaue ich mir die Bilder an und sehe ein Mädchen mit nicht modelmäßig dürren Stelzen, aber mit ganz normalen Beinen, mit denen sie weit weniger schüchtern durchs Leben hätte gehen können. Und auch sonst: Ich hätte mich selbst und meinen Körper sehr viel mehr lieben können.
In den letzten paar Jahren habe ich gelernt, mich seelisch und geistig so anzunehmen wie ich bin. Das brauchte die richtigen Menschen um mich herum und viel Arbeit an mir selbst. Meinen Körper habe ich nur mit Sport dazu gebracht, mir eine Art brauchbare Heimat zu verschaffen: Sport machte, dass ich meine Dimensionen besser spüren und mich – wie mit einer brauchbaren Maschine – sogar halbwegs in ihnen wohlfühlen konnte. Kurz vor der Schwangerschaft hatte ich Yoga ernsthafter für mich entdeckt und mit der zunehmenden Beweglichkeit, dem richtigen Atem und mehr Vertrauen in meine körperlichen Fähigkeiten aus der brauchbaren Heimat wurde ein richtiges Zuhause.
Alles neu macht der Bauch
Die Schwangerschaft warf das erst einmal wieder alles um – ich konnte keinen Sport mehr machen, weil mir übel und schlapp zumute war. Die zuverlässigen Muskeln, die mein Dasein gefestigt hatten, bauten sich ab, um ein Häuflein Mensch zurückzulassen, in dem ich mich irgendwie wiederfinden musste. Zum Glück gab der wachsende Bauch dem Ganzen wieder Kontur – und Halt.
Klar habe ich trotzdem prüfend auf meinen Po und meine Beine geschaut: Kenne ich diese Körperteile noch? Kann ich mich damit wohlfühlen? Ich habe mich gefreut, dass sich im achten Monat die Lieblingshose noch hochziehen ließ (auch wenn an Schließen längst nicht mehr zu denken war). Aber: Es war weniger wichtig geworden. Ich musste mich für nichts mehr an meinem Körper entschuldigen, ich musste bei nichts mehr wegsehen. Ich musste kein Topmodel mehr werden.
Ja, ich hatte dieses sogenannte „Glück“ (und die Gene), fast nur Bauch und sonst nichts zu bekommen. Aber was viel wichtiger war: Mein Körper fühlte sich zum ersten Mal richtig an. Alles, was er tat – Brustwachstum, juckende Bauchhaut, innere Party, Dehnungsschmerzen, alles! – fühlte sich richtig an. Ich musste nichts durch sportliche Maßnahmen „korrigieren“ und mein Gehirn ständig an irgendwelchen GNTM-Maßstäben herumschrauben lassen. Ich war ich, und ich war schwanger. Das war gut und ich war endlich einmal richtig in mir.
Davon hat sich nach der Schwangerschaft einiges erhalten. Ich schaue mich gern an, lieber als früher. Ich bin nicht mehr fit und trainiert, aber ich kann mein Baby versorgen, immer längere Spaziergänge machen und mein Inneres fühlt sich fünf Wochen nach der Geburt wieder heil an. Das ist das, was zählt.
Ich freue mich darauf, nach acht Wochen wieder Yoga zu machen – wegen des inneren Friedens (denn der Ausgleich durch Bewegung fehlt mir schon) und auch wegen des Gefühls von innerer Kraft. Es wird schön sein, wenn meine Power ganz zurückkehrt. Aber ich ekle mich nicht vor mir, wie ich es früher manchmal tat. Ich betrachte meinen leeren Bauch mit der weichen, gedehnten Haut und der schönen Linea Nigra und denke daran, wie gut es Fips darin hatte. Ich danke meinem Bauch für die Leistung, die er neun Monate lang geliefert hat, und ich bin dankbar. Dass meine Beine ebenfalls weicher geworden sind, genau wie meine Oberarme… ja, nun! Sie tragen mich, sie halten mein Kind – das ist wichtig.
Feel the Power, Tigerfrau!
Ich habe keine Streifen bekommen und manchmal beneide ich fast die Mamas, die mit diesen silbernen Tigerspuren für immer an die großartige Kraft erinnert werden, die in ihnen wohnt. Ich hoffe, dass die dunkle Spur auf meinem Bauch noch ein wenig bei mir bleibt und ein Zeichen dafür setzt, dass ich diese Kraft auch noch irgendwo in mir habe.
Die Schwangerschaft hat mir gezeigt, wie schön, stark und selbstverständlich es sich anfühlen kann, eine Frau zu sein. Das möchte ich nicht wieder vergessen, und vor allem hoffe ich, dass ich dieses positive Körpergefühl weitergeben kann. Die Welt braucht weniger schnieke Kleiderständer – und mehr Powerfrauen mit Herz!
Es scheint, als hättest du begriffen, was wirklich im Leben zählt. Gib es an dein Kind weiter!
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Ich tue mein Bestes 🙂 Aber man hat ja selber auch immer noch viel zu lernen (und noch mehr damit zu tun, sich ans Gelernte zu erinnern). Liebe Grüße!
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Schmunzel .. Das hört nie auf mit dem Lernen und das mit dem Erinnern, ist eine ganz besondere Sache.
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