“Mama, ich bin hässlich”: Bewusst kommunizieren für ein gesundes Körperbild

Kommunikation ist die Grundlage dafür, wie unsere Kinder die Welt und auch sich selbst wahrnehmen. Wie reden wir über unseren Körper, wie sprechen wir über andere? 

Ich habe mich immer bemüht, mit meiner Tochter offen und wertfrei zu sprechen – trotzdem überrollen uns seit ihrem 5. Lebensjahr immer wieder Wutausbrüche, bei denen sie sich selbst hässlich und blöd findet. 

Beim ersten Mal stand ich dem hilflos gegenüber, inzwischen habe ich mir ein paar Strategien zurechtgelegt. Und ich bin froh, dass sie immerhin mit mir über ihre Selbstwahrnehmung spricht – denn ich weiß gut, dass ich als Kind und Jugendliche ebenfalls große Selbstzweifel hatte, aber diese immer allein und manchmal qualvoll mit mir selbst ausgemacht habe. Also bemühe ich mich umso mehr, mit Fips offen zu kommunizieren, in der Hoffnung, dass meine Worte ihre innere Stimme besänftigen und beeinflussen können. 

Weil ich im Gespräch mit anderen Mamas festgestellt habe, dass dieses Thema auch in anderen Familien auftaucht, möchte ich heute ein paar Grundlagen zur Kommunikation teilen: Alles davon ist für Vorschul- und Grundschulkinder geeignet, aber vieles lässt sich auch auf Kleinkinder und Teenager adaptieren. Und natürlich sind sämtliche Empfehlungen nicht nur was für Töchter oder Mütter, sondern für alle Kinder und Bezugspersonen 🙂

1. Finde einen Weg ins Gespräch.

“Mama, ich bin hässlich!” Auch wenn ich das jetzt schon öfter gehört habe: Es triggert jedes Mal mein Fight-or-Flight-Syndrom. Die Situation durchzuhalten ist unfassbar kräftezehrend und sie macht mich auch furchtbar wütend. Warum denkt mein Kind so? Ich hab doch alles getan, um ihr ein gutes Körpergefühl zu geben…? 

Gleichzeitig weiß ich, dass ich mich selbst auch sehr früh hässlich und zu dick fand. Im Gegensatz zu Fips habe ich diese Gedanken aber nie ausgesprochen. Ich war damit allein im Badezimmer, allein in meinem Kopf. Und wenn ich das bedenke, bin ich froh, dass Fips seine Gefühle wenigstens mit mir teilt und wir es gemeinsam besprechen können.

Bring Dein Kind also zum Reden, anstatt ihm vorzugeben, was es denken und fühlen soll. Akzeptiere alle seine Empfindungen, anstatt negative Gefühle zu verdrängen.

Folgende Dinge können helfen, dieses Gespräch zu leiten:

  • Auch, wenn eigentlich keine Zeit zum Reden ist oder Du Dich selbst überfordert damit fühlst – versuche nicht, das Gespräch auf einen passenderen Zeitpunkt zu verschieben, sondern geh auf Dein Kind ein, so gut Du kannst.
  • Sei präsent: Handy weg, nimm Dein Kind auf den Schoß, setzt euch gemütlich nebeneinander oder lass ihm Abstand – biete Nähe an, aber fühl Dich durch den Wunsch nach Distanz nicht zurückgewiesen. 
  • Frage nach, woher die negativen Gedanken kommen: “Kannst Du das genauer erklären? Kannst Du mir beschreiben, was/ warum…?”
  • Wenn Du auf diese Weise mehr über das Problem erfahren hast, kannst Du versuchen, Antworten zu finden, um den inneren Druck zu mildern.
  • Wenn die Antwort lautet: “XY hat gesagt, ich habe Babyklamotten an / bin hässlich / o.ä.” kannst Du diese Aussagen hinterfragen und besprechen: “Findest Du auch, dass Dein neuer Pulli für Babys ist?” etc.
  • Du kannst auch versuchen, den Fokus der Aussagen ins Ganzheitliche zu verändern – etwa mit der Frage welche Funktion der fragliche Körperbereich eigentlich hat: “Der Bauch ist das Zuhause für meine Organe” oder “Mit meinen Beinen kann ich schnell laufen und an meiner Spielküche stehen.” 
  • Je nach Alter und je nachdem, wie Dein Kind sonst denkt/spielt/fantasiert, kannst Du auch versuchen, logische Schlüsse einzubinden, z.B. “Schau mal, ich habe auch Leberflecken, ganz viele sogar. Findest Du mich deswegen doof oder bin ich deswegen hässlich? Sind die überhaupt wichtig bei mir?” 

Wichtig ist in jedem Fall, dass Du die Aussagen Deines Kindes nicht sofort durch “Ach Quatsch, Du bist doch toll!” relativierst, sondern es ermutigst, sich Dir anzuvertrauen. 

2. Sprich positiv über den Körper Deines Kindes.

“Oooh, du hast aber einen dicken Bauch!” – Ja, nee. Von Tante Lieselotte und Onkel Walter mag das ja irgendwie als Kompliment gemeint sein, aber de facto ist es einfach mal keins. 

Sprüche wie diese können sich nämlich schon bei kleinen Kindern festsetzen und ihr Körperbild nachhaltig beeinflussen. Achte daher darauf, wie Du Dich selbst über den Körper Deines Kindes äußerst und wie andere darüber sprechen. 

Wenn Du mit Deinem Kind über seinen Körper redest, konzentriere Dich eher auf seine Funktionen, ohne die Form zu beurteilen: 

  • “Deine Beine sind heute ganz schön weit gelaufen, die waren richtig stark!”
  • “Der Bauch schützt unsere Organe und das leckere Abendessen ist da auch drin.”
  • “Kann Deine Nase auch schon den Frühstücksduft erschnuppern?”

No-Gos sind dagegen Aussagen wie

  • “Na, der Babyspeck muss aber noch runter!”
  • “Wackel mal mit Deinem dicken Popo!”
  • “Du bist ja ein süßes Dickerchen!”

Mein persönlicher Lieblingsspruch ist ja auch “Aber nicht alles auf einmal, sonst wirst Du nachher zu dick!”, während ein Großpaket Gummibärchen oder sonstiger Süßkram geschenkt wird. Annegret, dann verschenk bitte eine angemessen kleine Menge, die mein Kind mit ungetrübter Freude genießen kann, statt schon mal den Grundstein für schlechtes Gewissen beim Essen zu legen!

Aber zurück zum Thema: Grundsätzlich muss der Körper eines Kindes überhaupt nicht kommentiert werden – schon gar nicht von Dritten. Das kannst Du auch genau so sagen: “Wir beurteilen keine fremden Körper, sag so etwas bitte nicht.” 

Je nachdem wie angriffslustig Du bist, kannst Du dazu fragen, ob Du Tante Lieselottes Körperform auch kommentieren sollst – löst zu 98% Getöse aus und hilft manchmal. 

3. Finde Komplimente, die nichts mit dem Körper zu tun haben.

Komplimente sind nicht verboten. Aber Du kannst als Mutter aktiv den Blick vom reinen Äußeren ablenken, wenn Dein Kind Komplimente von Dir oder anderen bekommt.

  • Statt “Du bist ja so eine Hübsche!” kannst Du schon Deinem Baby sagen, wie fröhlich Dich sein Lachen macht oder wie kräftig es mit den Beinen strampelt. Gerade am Anfang nehmen unsere Kinder ohnehin eher den liebevollen Klang unserer Stimme wahr, als dass sie unsere Worte verstehen – und so kannst Du gleich für später üben, nicht nur die optische Erscheinung zu loben.
  • Kleine, konkrete Aussagen zum Aussehen sind dabei nicht tabu: “Deine Augen strahlen so schön” etc. darfst Du weiterhin sagen. Ein allgemeines “Du bist aber süß!” (auch von Dritten) lässt sich dagegen damit ergänzen, wie humorvoll, hilfsbereit, kreativ, wortgewandt, begeisterungsfähig, ehrlich, selbstständig, geduldig, geschickt oder was-auch-immer Dein Kind außerdem ist. 

Generell ist es sinnvoll, den Fokus auf gute Charaktereigenschaften und Verhalten zu legen – bei Deinem Kind, bei Dir selbst und bei anderen. So kannst Du Deinem Kind schon früh begreiflich machen, woher wahre Schönheit kommt:

  • “Ein schöner Pulli kann kaputtgehen oder passt irgendwann nicht mehr. Aber ein schönes Herz strahlt von innen und bleibt für immer!“
  • “Wenn jemand nur schön aussieht, aber richtig gemein ist, dann findet man ihn bald auch nicht mehr hübsch. Und es gibt Menschen, die zum Beispiel keine tollen Klamotten anhaben, aber richtig lieb und interessant sind. Die findet man dann oft trotzdem hübsch, weil ihre tolle Seele sie leuchten lässt.“

Der Kuscheltiertrick: Dein Kind sollte nie mitanhören, wie Du abwertend über seine Person sprichst – auch nicht, wenn es “lustig” gemeint ist. Was es dagegen durchaus mithören kann, sind positive Aussagen. Das Gespräch muss dafür gar nicht “echt” sein: Zum Beispiel kannst Du Dich mit dem Lieblingskuscheltier darüber unterhalten, was Du an Deiner Tochter magst, oder ein Gespräch zwischen Puppen stattfinden lassen. Probiere es mal aus – Fips liebt es.

Mehr gute Ideen für ein gesundes Körperbild

Gute Kommunikation zwischen Eltern und Kind sowie ein offener Blick in die Realität abseits der Idealbilder sind ebenfalls wichtig, um ein gesundes Körpergefühl bei unseren Kindern zu stärken. Tipps für beide Bereiche findet ihr hier:

Auch mit Hintergrundwissen zu geschichtlichen und kulturellen Grundlagen kannst Du bei Dir selbst und damit auch bei Deinem Kind für eine differenziertere Selbstwahrnehmung sorgen: Das Thema Schönheit ist komplex, oft belastend und tief in unserer Kultur verwurzelt, gerade bei Frauen und Mädchen. Aus meiner Recherche für diesen Post ist inzwischen ein größeres Projekt entstanden. Schau doch mal rein bei “Wir sind schön”.

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