Heute habe ich mal nicht selbst in die Tasten gehauen, sondern den Stift an – tadaaaa! – einen Mann und Ex-Kollegen übergeben. Christoph schreibt eigentlich zusammen mit Freunden auf seinem Blog Fluxkompensator über alte Filme, lässt aber auch den fairen Blick auf neue Produktionen nicht außer Acht. Für euch hat er ein paar Filmtipps zusammengestellt, die nicht nur in Zeiten von #stayhome für gemütliche Sofaabende sorgen dürften. Mein Liebling ist „Tully“, aber schaut am besten selbst. Los geht’s – oder sollte ich sagen: Action?!
Ich freue mich sehr, für FIPS & Ich einen Gastbeitrag zu schreiben. Wer hätte gedacht, dass man als Filmfan einmal dazukommt, den Leserinnen und Lesern eines Mama-Blogs Filme zu empfehlen? Da die Kinos derzeit auf viralen Pausenbetrieb geschaltet sind und ein Kinobesuch für viele Mütter sowieso in gefühlt unendlicher Ferne liegt, gebe ich gleich sieben Filmtipps, in denen starke Mütter die treibende Kraft der Handlung sind. Jeden dieser Filme kann man daheim über die bekannten Streaming-Anbieter ansehen – bzw. pausieren und später weiterschauen (klickt einfach auf den jeweiliegen Link).
Erin Brockovich (2000)
Es ist kaum zu glauben, dass dieser Film nun schon über 20 Jahre auf dem Buckel hat. Aber schnell wird klar, wenn sich die Akteure durch Stapel von Papier wühlen, mit dem Mobiltelefon kaum Empfang haben und viel Geld eine kurze Lebensdauer aufwiegt: Ja, ERIN BROCKOVICH ist ein Kind der 90er-Jahre.
Die Geschichte ist aber immer noch so präsent wie zum Kinostart: Das Grundwasser einer amerikanischen Kleinstadt wird gewissenlos durch die Fabrik eines Multimilliarden-Unternehmens mit Chrom verseucht. Die Anwohner leiden dadurch unter einem vielfachen Spektrum an Krankheiten. Dieser Fall gerät in die Hände der unerfahrenen Anwaltshelferin Erin Brockovich (Julia Roberts), die „nebenbei“ noch alleinerziehende Mutter von drei Kindern ist und täglich einen Berg von Mahnungen aus dem Briefkasten fischt. Schnell wird klar, dass ein offenes Ohr mehr wert ist als ein lückenloses Jurastudium.
Heutige Filmproduktionen würden die Machenschaften des skrupellosen Unternehmens viel mehr in den Vordergrund der Handlung setzen, aber Steven Soderbergh (OCEANS ELEVEN, CONTAGION) tut gut daran, der Frau und Mutter den Großteil der Handlung zuzustehen. So wird ERIN BROCKOVICH fast zu einer One-Woman-Show und gibt ganz nebenbei einen Einblick, auf welch absurden Fundamenten das US-Rechtssystem gegründet wurde. Immer noch sehr sehenswert.
The Queen (2006)
An der mächtigen Übermutter des britischen Empires soll auch diese Liste nicht vorbeiführen. THE QUEEN zeigt einen ungewöhnlich menschlichen Zugang, ohne die Würde der Krone zu entweihen.
Helen Mirren gibt Königin Elizabeth II. im August 1997. Der Monat, in dem die abtrünnige Prinzessin Diana bei einem Autounfall ums Leben kommt. Ein fiktionaler, aber glaubwürdiger Blick auf die Chefin des Buckingham Palace in jener schweren Zeit, die mit ihrer Akkuratesse beinahe das Volk zum Sturz der Monarchie aufgewiegelt hätte. Helen Mirren führt uns lebensecht durch die Tage einer Königin ohne das kleinste bisschen Langeweile in der Handlung. Das Drehbuch basiert lose auf Zeugenaussagen, was in dieser Zeit im Königshaus geschehen ist. Aber hier glaubt man der Version von Regisseur Stephen Frears zehn Mal lieber als den aufdringlichen Überschriften der Yellow Press.
Ein respektvoller, aber auch mit einem Lächeln versehener Kurzbesuch bei der mächtigsten königlichen Mutter unserer Zeit.
Blind Side (2009)
Sandra Bullock gibt die betuchte Innenarchitektin Leigh Anne Tuohy mit perfekten Kindern, perfektem Haus und perfektem Ehemann. Sie nimmt den 17-jährigen Michael Oher auf, der in seinem Leben bereits mehrfach von einer Pflegefamilie zur nächsten weitergereicht wurde. Ihm liegt das Talent des Footballspielers in der Verteidigung im Blut und so wird eine weiße Wohlstandsmutter zum persönlichen Coach eines gutherzigen, schüchternen, afroamerikanischen Jungen in einem amerikanischen Bilderbuchviertel.
Alle Anzeichen in diesem Film leuchten Alarm, der vollen Bandbreite von Stereotypen und einer amerikanischen Klischeestory ausgesetzt zu werden. ABER, die Geschichte hat sich tatsächlich so zugetan und Regisseur John Lee Hancock gelingt es gekonnt, uns unsere eigenen oberflächlichen Meinungen im Spiegel vorzuhalten. Das Herzstück von BLIND SIDEist Sandra Bullock, die eine starke, taffe Mutter in High Heels verkörpert und dazu noch beweist, dass nicht zwingend eine dumme Neureiche, die von ihrem ganzen Wohlstand träge geworden ist, hinter jedem messingbeschlagenem Tor in den USA am Pool liegen muss.
Three Billboards Outside Ebbing, Missouri (2017)
Die Liste ist voll von starken Mutterrollen, aber keine davon ist wie Mildred Hayes (Francis McDormand). Sie war schon immer ein zäher Hund, dank ihres gewalttätigen Ex-Manns, dem schlecht bezahlten Job und einer amerikanischen Kleinstadt, wo jeder seiner Freiheit noch mit Waffengewalt Nachdruck verleiht, die Polizei eingeschlossen. Das Schicksal ist mit seinen Prüfungen für Mildred noch nicht am Ende und nimmt ihr die Tochter im Teenageralter auf grausame Weise. Sie verlangt nach Gerechtigkeit, die aber in diesem Ort schwer zu finden ist.
Seit vielen Jahren wurde eine dramatische Geschichte nicht mehr mit so viel Fingerspitzengefühl für Charaktere, Beziehungen und Gespür für Komik auf die Leinwand geschickt. In Zeiten von Fortsetzungen, Literatur- und Comicverfilmungen ist THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI ein Befreiungsschlag für den originellen Film. Hier wird der Kampf zwischen richtig und falsch zu einem komplizierten Geflecht aus vielschichtigen Charakteren, wo jeder erkennen wird, dass Rache eben keine Erlösung bringt.
I Am Mother (2019)
Ein Roboter hat den Auftrag, ein Mädchen in einem unterirdischen Schutzbunker aufzuziehen, zu unterrichten und zu versorgen.
Eine Empfehlung aus dem Science-Fiction-Genre, aber keine Sorge, hier schießen keine Laserstrahlen im Dauerfeuer über den Fernseher und von epochalen Weltraumschlachten ist man weit entfernt. I AM MOTHER ist vielmehr ein Kammerspiel zwischen einer Roboter-Mutter und ihrer menschlichen Tochter in einer möglichen Zukunftsvision.
Künstliche Intelligenz als Ersatz für Betreuung von Menschen ist kein Sci-Fi mehr. In Japan werden derzeit enorme Summen in die Entwicklung von maschineller Betreuung in Pflegeheimen investiert, da die Bevölkerung immer älter wird. Da ist eine Robotermutter nicht mehr weit entfernt.
Die Inszenierung ist hervorragend mit der jungen Schauspielentdeckung Clara Rugaard als Tochter, mit Oscarpreisträgerin Hilary Swank als fremde Frau und Rose Byrne als Roboterstimme besetzt. In einem dezenten Zukunftssetting wird die Frage verhandelt, wie weit kann die Rolle einer Mutter von künstlicher Intelligenz und sorgsamer Robotik übernommen werden. Gute Nerven sollte man mitbringen, denn auch eine Robotermutter würde für ihr „Junges“ alles tun.
Hidden Figures (2016)
Dutzende Programme gibt es, um Mädchen bereits in ihrer Schulzeit für technische und naturwissenschaftliche Berufsfelder zu motivieren, dabei braucht jeder aufgeweckte junge Geist nur einmal HIDDEN FIGURES schauen.
Anfang der 1960er-Jahre herrscht in den USA noch strikte Rassentrennung. Bei dem Raumfahrtprogramm der NASA arbeiten drei afroamerikanische Mathematikerinnen, die Vorberechnungen für Rechenmaschinen leisten. In dieser Zeit ist bereits der Wettlauf um die Errungenschaften im All entbrannt und die Sowjetunion liegt mit dem ersten Tier und Menschen außerhalb unseres Planeten um ein paar Längen vorn. Es wird Zeit, sämtliche Ressourcen zu mobilisieren und dazu gehört auch die Abteilung der „Colored Computers“.
Auf einer wahren Geschichte basierend, erleben wir hier Hollywoodkino in seiner reinsten Form. Sozialkritische Probleme werden auf Grund eines gemeinsamen Ziels über Bord geworfen und Vorurteile weit hintenangestellt. Hier wird nicht nur ein ethnischer Konflikt beendet, sondern auch der Geschlechterkampf beigelegt. Dennoch zeigt uns der Film, wie schwer es war und immer noch ist, aus der Rolle auszubrechen, in die man hineingeboren wird. Leichtfüßiger wurde sich schon lange nicht mehr an ein solches Thema herangewagt und vor allem so familientauglich. Man kann HIDDEN FIGURES vorwerfen zu freundlich mit dem Thema umzugehen, aber es braucht ja nicht immer die Grausamkeit menschlicher Arroganz bei einem Fernsehabend.
Tully (2018)
Eine wichtige Grundregel bei solchen Filmtipp-Listen ist es immer, dass der letzte Beitrag ein richtiger Kracher sein muss – der Überfilm, das Highlight. TULLY zählt für mich zu einem der besten Kinofilme von 2018 und wurde leider krude an den Kinokassen abgestraft. Ich zerbreche mir heute noch den Kopf darüber, warum Millionen Menschen sich durchschnittliche 08/15-Haha-der-hat-mit-einer-anderen-geschlafen-Komödien ansehen, aber für TULLY nur eine Handvoll Leute ein Kinoticket lösten. Ich hoffe inständig, dass der Film in seinem Heimkino-Dasein besser angenommen wird.
Charlize Theron spielt die zweifache Mutter Marlo, die bereits alle Hände voll zu tun hat und jetzt auch noch Kind Nummer drei ins Haus steht. Ihr finanziell gut aufgestellter Bruder will ihr ein Geschenk machen: Eine Nacht-Nanny. Die wird sich nachts um das Baby kümmern, aufräumen und den Haushalt schmeißen, während Marlo ihren Schlaf bekommt wie alle anderen auch. Klingt etwas gruselig, das neugeborene Kind einer Fremden nachts anzuvertrauen, aber als Tully (Mackenzie Davis) vor der Tür steht, fliegt jedes Bedenken für eine Mütze voll Schlaf in den Müll.
TULLY zeigt, dass Mütter in dieser Zeit manchmal die einsamsten Menschen auf der Welt sein können und „nur“ einen guten Gesprächspartner brauchen. Die beiden Frauen sind hier keine guten Freundinnen, die mit Coffee-To-Go-Becher und Designerkinderwagen durch den englischen Park bummeln. Es ist eine Geschichte, die dicht am Leben ist, von natürlichen Dialogen lebt und dennoch im letzten Drittel eine unerwartete, fantastische Wendung nimmt. So etwas ist sehr selten in den letzten Filmjahren. TULLY ist eine Empfehlung an alle da draußen, ob mit oder ohne Kinder.
Noch mehr Tipps?
Ich hoffe, der ein oder andere Kandidat aus dieser Liste verschafft euch einen schönen Abend, entführt in ein anderes Leben und gibt einen neuen Blick auf die eigene Welt. Teilt gern weitere Filmempfehlungen in den Kommentaren.
Viel Spaß mit diesen tollen Sieben, es grüßt Christoph von Fluxkompensator