Von Loslassen & Mutterherzschmerz

Morgen ist es soweit: Ich gehe wieder arbeiten. Nach 18 Monaten, nach Beschäftigungsverbot und Elternzeit, werde ich wieder am Schreibtisch sitzen und… Dinge tun. Dinge, nach deren Bezeichnungen ich in meinem Stilldemenz-Hirn erst wieder kramen muss – Meeting-, Briefing-, Copy-Writing-Dinge. Und mein Mutterherz schmerzt.

Nicht, weil ich nun nicht mehr 24/7 bei Fips sein kann. Nein. Fips geht schon seit fast zwei Monaten zur Tagesmama und ich weiß, dass es für mein kinderaffines, spielbegeistertes Kind nichts Schöneres gibt: Morgens muss ich mich mit dem vorgeschriebenen Abschiedsritual beeilen, weil mein Kind bereits in den Gruppenraum stürmt und eigentlich so wirklich gar keine Zeit zum Tschüss sagen hat. Mutter! Geh endlich! Der Spaß beginnt!

Der Arbeitsalltag wartet

Die Trennung durch die Tagesmutterzeit tut uns beiden ganz wunderbar gut. Und ich hoffe, dass das auch so bleibt, wenn es demnächst nicht nur sechs Stunden sind, sondern der verdammte maximale Betreuungsumfang von fast neun Stunden. Wenn ich mein Herzkind morgens zum Frühstück abliefere, mit der Bahn ins Büro düse, meete-briefe-write und am Nachmittag wieder zurückdüse, um Fips abzuholen und dann noch mal ins Homeoffice zu verschwinden.

Als ich meinen Tagesablauf zum ersten Mal mit konkreten Uhrzeiten vor mir sehe, greift mir eine kalte Faust ans Herz. Die letzten Monate waren so… frei. Das stelle ich jetzt fest. So oft war ich fertig mit den Nerven, war ich so müde, doch jetzt sehne ich mich danach, so unbegrenzt zu sein. Denn was nun von Fips-und-Mama übrigbleibt, erscheint so wenig. Und ich vermisse mein Kind bereits jetzt.

Bye-bye, Einschlafritual…

Jetzt, da das Loslassen nicht nur Gewinn, sondern vor allem Verpassen bedeutet. Es begann damit, dass der Fipspapa unser Einschlafritual übernahm. Oh, wie war (und ist!) es schön, abends auch mal wieder frei zu haben! Wie schön ist es, sich mal wieder entspannt in die Wanne zu legen oder einen Film am Stück zu schauen. Aber oh… wie sehr vermisse ich dein sanftes Einschlafgesicht, mein Fips! Wie sehr vermisse ich den Moment, wenn ich deine langen Wimpern auf deine weichen Wangen senken, wenn sich dein Atem beruhigt und du friedlich Bauch an Bauch mit mir in den Schlaf gleitest. Doch du schläfst besser, länger, tiefer mit deinem Papa –du wächst enger mit ihm zusammen, und das ist so wichtig für euch, für uns. Dafür lohnt sich das Loslassen, dafür mache ich es mit einer Träne im Augenwinkel und voller Liebe.

Der nächste Schritt ist nun das Ende der Elternzeit und der Gang ins Büro. Kann mir irgendjemand sagen, wo hier der Gewinn ist? Oh man, in manchen High-Need-Momenten habe ich mir gewünscht, mal wieder in aller Ruhe Nicht-Baby-Kram machen zu können. Verantwortungslos zu sein. Niemanden entertainen zu müssen.

Trinken & Tränen fürs Büro

Außerdem werde ich meinem ausgedörrten Körper literweise Tee zuführen, weil ich ja nun jederzeit hinter der Tür mit der Aufschrift „Damen“ verschwinden kann! Ich werde Kopfhörer aufsetzen, meine Lieblingsmusik aufdrehen und ungestört in den Workflow-Tunnel abtauchen! Ich werde mit Kollegen quatschen und stundenlang kein einziges Tiergeräusch nachmachen!

Klingt das nicht großartig? Das wird es sein!! Und doch brennt mein Mutterherz vor Abschiedsschmerz.

Oh man, ist es verrückt, wenn ich sage, dass die letzten Monate die schönste und turbulenteste Zeit meines Lebens waren? Nie war ich so glücklich, nie so kaputt, nie so sicher, nie so unsicher. Die Stunden zogen sich manchmal wie Kaugummi, und doch flogen anderthalb Jahre dahin wie nichts. Und nun ist es vorbei.

Auf in die nächste Phase

Fips ist kein Baby mehr. Fips ist ein Kleinkind. Läuft, macht „muh“ und „brrrrm“ und isst mit dem Löffel und jeden einzelnen dieser kleinen Schritte habe ich mit Stolz und Freude beobachtet. Was kommt als Nächstes? Welche tolle Sache wird Fips entdecken? Welche Fähigkeit kommt nun?

Ich werde es vielleicht nicht sehen. Nicht mehr als Erste. Ich werde vielleicht nur die sein, der man davon erzählt. Dabei ist jedes Erlebnis unwiederbringlich kostbar. Und das macht mir das Loslassen diesmal so schwer.

Aber ich will nicht weinen, will nicht trauern, will nicht nur wehmütig sein. Dafür ist die Zeit zu knapp. Ich will den Augenblick mit dir genießen, mein Fips! Doppelt! Dreifach! Jeden gemeinsamen Moment, der nun noch wertvoller ist, will ich lieben und auskosten mit dir.

Lauf, mein Fips. Lauf in die Welt! Und dann erzähl’ mir davon. Füll’ mein Herz mit dir. Denn dir gehört es, ob ich im Büro bin oder ganz nah bei dir, kopfüber in der Bauklotzkiste. Lauf, mein Fips, mein Herz läuft mit dir.

 

 

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4 Gedanken zu “Von Loslassen & Mutterherzschmerz

  1. Marie schreibt:

    Es ist immer wieder unbeschreiblich schön deine Artikel zu lesen! Du findest so wunderbare Worte und fast immer denke ich: „Oh ja, genauso geht es mir auch!“
    Ich wünsche Dir ganz viel Kraft für den „Neustart“!!!
    Zu dem Satz „Lauf in die Welt“ habe ich mich gerade an etwas erinnert:
    Ich habe mal auf einer Postkarte gelesen: „Ein Schiff das im Hafen liegt ist sicher. Aber dafür würde es nicht gebaut!“ Also Fips, lauf in die Welt 😉

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  2. Dresden Mutti schreibt:

    Viel Spaß und Erfolg 🙂 Ich hatte so gesehen keine richtige Elternzeit (also ich habe studiert), aber der Einstieg in den Beruf war schon eine Umstellung. Irgendwie gewöhnt man sich aber recht schnell an den neuen Alltag.
    Dass mit dem Homeoffice nach der Arbeit noch klingt etwas anstrengend. Ich wünsche dir trotzdem, dass alles klappt 🙂

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