Es war schön als du rund sein durftest, mein Bauch

Habe ich das gerade wirklich gedacht?! Ich liege in der Badewanne, betrachte meinen 13-Monate-Postpartum-Körper und denke dürfen?! Den Kopf muss ich schütteln über mich selbst, und trotzdem hängt dieses bescheuerte Wort in meinen Gedanken fest.

Das erste Trimester:

Ich war nie der magere Model-Mädchentyp, eher so das Powermodell mit starken Buchhändleroberarmen, ordentlich Po und Eisenbeißerwaden #strongnotskinny. Aber auf meinen Bauch, den flachen Wohltrainierten, auf den war ich immer stolz. Der hat mir was bedeutet, der war das Zentrum meiner Kraft und Körperhaltung.

Noch bevor ich wusste, dass ich schwanger war, wurde dieses Zentrum außer Betrieb genommen: Der reiskorngroße Fips protestierte gegen jegliche Bauchmuskelaktivitäten und ich musste wortwörtlich lernen, mich hängen zu lassen. Das fiel mir alles andere als leicht. ich klammerte mich an die magische 10-Kilo-Gefahrenmarke, und zu den Themen „Schwanger und schön“ und „der perfekte Babybauch“ habe ich in den ersten drei Monaten hier so einige Beiträge verfasst.

Das zweite Trimester: Let it roll!

Sobald man mir rundungstechnisch deutlich ansah, in welchen Umständen ich mich befand, wurde alles besser: Ich habe den Bauch geliebt. Habe ihn gestreichelt und im Spiegel bestaunt und einfach gutgefunden. Genauso wie den Rest meines Körpers. Die Kugel lenkte mich von allen gefühlten Problemzonen ab: Zum ersten Mal fand ich mich wirklich rundum gut. Vor der Schwangerschaft hatte ich mich mit Yoga und Sport zu einem guten Körpergefühl gekämpft, aber so richtig wie im zweiten und dritten Trimester hatte ich mich noch nie gefühlt. Ich war einfach Königin in mir.

Frisch entbunden und voller Liebe

Ich erinnere mich noch genau an die ersten Tage nach der Geburt: Mein Wunderbauch erinnerte nicht mehr an einen prallgefüllten Ballon, sondern war rund und weich und so flexibel wie Wackelpudding. Und ich? Ich war ihm unglaublich dankbar für die guten Monate und ein gesundes Baby. Ich war stolz, Leben geschenkt zu haben, und der Gummiflummibauch gehörte einfach dazu.

As time went by

Die Monate vergingen und im Alltag verlor sich die Dankbarkeit. Oder nein, ganz stimmt das nicht: Aber ich muss mich jetzt daran erinnern, dankbar zu sein. Ich muss mich buchstäblich immer wieder daran erinnern, dass mein Bauch dazu berechtigt ist, nicht perfekt zu sein.

Wieder schüttele ich den Kopf über mich: dazu berechtigt, nicht perfekt zu sein. Aus diesem Satz klingt der ganze Wahnsinn von Photoshop, Heidi Klum und Schönheitsindustrie. Will ich mir davon wirklich mein Körpergefühl vorschreiben lassen? Von dem Ideal der Perfektion? Oder sollte ich lieber sagen: vom Surreal der Perfektion?!

Ich habe geboren, ich bin seit über einem Jahr Mutter, und schon allein deshalb sollte ich wissen, dass es Perfektion nicht gibt. Und dass es sie auch nicht geben muss. Die Dinge, das Leben, das Werden, all das kann auch ohne Superlativ schön sein: So vieles wird gut, wenn man ihm nur die Chance dazu lässt.

Das Leben ohne fancy Kalendersprüche

Schöne Sprüche sind das, jaja. Aber hier bin ich und da ist mein Bauch. Seien wir ehrlich: Die Tage von mädchenmäßig flach sind dahin (auch wenn ich die Hoffnung auf regelmäßige Yogaeinheiten noch nicht ganz aufgebe). Babyspeckig oder runzelfaltig, das scheint mehr den Wahlmöglichkeiten zu entsprechen. Aber ist die Frage wirklich, ob ich jetzt auf den Body-Remaster-Hype aufspringe oder nicht?

Schönes denken – Schönes tun – Schönes sehen habe ich in einem meiner Bauch-Beiträge damals geschrieben. Und eigentlich will ich keine nervenzehrende Diät, keinen zickigen Sit-up-Pflichtplan. Das kann ich beides nicht brauchen.

„Ach, halt die Fresse, krieg’n Kind!“, denkt sich ollischulzmäßig vielleicht der ein oder andere von euch. Hah! Guter Tipp! Das würde vermutlich sogar funktionieren, aber damit wäre das Problem nur aufgeschoben.

Lieber will ich meinen Kopf zurück, und zwar freigespült von allen Schönheitsidealen und Schönheitszwängen. Lieber will ich meinen Bauch lieben, wie er ist. Lieber will ich meinen Körper lieben, ohne Sport und ohne Zwangsernährung. Sondern einfach weil es meiner ist.

Zum Teufel mit dürfen, zur Hölle mit jeder Erlaubnis!! Es war schön als du rund warst, mein Bauch. Und es wird wieder schön, wenn du einfach sein kannst. Ich will endlich wieder Königin sein.

2 Gedanken zu “Es war schön als du rund sein durftest, mein Bauch

  1. Vanessa schreibt:

    Und mal wieder: same same 😉

    Die Schwangerschaft hat vermocht, was die Damenrasiererwerbung propagiert „spüre die Göttin in dir“

    Ja, ich habe mich wirklich göttlich gefühlt, so wohl wie noch nie in meinem Körper.

    Danach war ich auch einfach dankbar an diese Maschine und die Pfunde purzelten wunderbar.

    Naja, jetzt ein Jahr später sitze ich trotz unzähligen Stillmarthons und Langzeitstillen (stille, sagten sie, dann nimmst du wie von alleine ab) noch immer mit zwei Kilo extra und einem Speckbauch und neuen Jeans 😤 da.

    Wo ist dieses wunderbare Körpergegühl hin, wo ist die Göttin in mir?

    PS: aber unterm Strich stehe ich meiner Figur jetzt trotzdem so gelassen wie nie zuvor gegenüber

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    • Sabine Wirsching schreibt:

      Same same? Aber sowas von! Hier hocken exakt dieselben 2 Kilo an exakt derselben Stelle 😀 Ich habe nun aber auch beschlossen, mich mit mir wohlzufühlen. Stelle gerade meine Ernährung ein wenig um, denn trotz Langzeitstillen (muss man das nach 13 Monaten echt schon so nennen) braucht mein Körper wohl doch nicht mehr so viel Futter wie noch vor einigen Monaten. Fühle mich schon besser. Aber die Göttin darf tatsächlich langsam wieder antraben!

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