Mein Afterbirthbody & kein Foto für Heidi

Wie wohl die meisten Frauen besitze ich einen inneren Traummaß-Teufel, der permanent Gewicht, Fitness, Falten, Bauch, Beine, Po, alles, überwacht. Ich nenne diesen grausamen Gesellen meine innere Heidi Klum.

Während meiner Schwangerschaft hatte Heidi Schweigepause: Meinen Babybauchkörper habe ich vor allem im zweiten Trimester sehr gemocht. Im ersten Trimester stichelte das Heidi-Teufelchen noch, dass der Bauch eher wie „ein bisschen dick geworden“ aussähe, und noch längst nicht nach hübscher Kugel.

Doch ab dem zweiten Trimester hatte ich das Gefühl, zum ersten Mal ganz bei mir zu sein – heidifrei, im Frieden mit mir selbst und voller weiblicher Kraft. Im dritten Trimester wurde mein harmonischer und voll auf die Ausbildung eines kleinen Lebens konzentrierte Körper manchmal ein wenig sperrig, aber nie zuvor hatte ich mich so „richtig“ gefühlt. Ich war vorher nie perfekt. Die kritische Instanz, die mich jahrelang (jahrzehntelang?) überwacht hatte, war ausgeschaltet. Jede Veränderung war gut.

Anfang und Ende der weiblichen Magie

In den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt habe ich meinen leeren, weichen Bauch gestreichelt und mich bei ihm bedankt, weil er so einen großartigen Job gemacht hatte. Die urtümliche Kraft und die Macht der Geburt waren noch vorhanden in mir.

Nun ist Fips fünf Monate alt. Mein Körper besitzt die Magie der runden Monate nicht mehr, und ich fühle mich nicht länger als starke Einheit. Denn meine innere Heidi Klum seziert wieder die Einzelteile: Sie zerlegt meinen eben noch so machtvoll richtigen Körper mit ihrem Viehhändlerblick in Brust und Schenkel, in Filet und Speckstreifen.

„Dein Rücken ist ganz okay“, sagt die innere Heidi. „Der hat immerhin genug Kraft, um zu tragen. Aber deine Arme! Ein Neun-Kilo-Dauerbaby-Hantel-Bizeps ist ja nett, aber Winkefleisch statt Trizeps? Immerhin hast du ein vernünftiges Dekolleté zu bieten! Aber wie wird das wohl aussehen, wenn du abgestillt hast?“

Ich weiß nicht, denke ich. Das macht mir ja selber Angst. „Vielleicht solltest du dann eine OP ins Auge fassen! Es ist Zeit fürs Make-over!“, kommandiert Heidi. „Und wo ist dein sagenhafter Po geblieben? Deine Hände sehen übrigens auch langsam alt aus.“ Ja, das fällt mir im Gegensatz zu Fips’ zarter Haut auch doppelt auf.

Zu meinem Beckenboden weiß die innere Heidi zum Glück nichts zu sagen. Vermutlich interessiert es sie nicht, dass er im Dauermuskelkaterzustand Krämpfe durch meinen Unterleib jagt. Denn das sieht man ja nicht. „Aber dein Bauch! Weich und schlabberig! Ist das etwa eine Speckrolle? Und viel zu viel Haut!“

Ihr entsetzter Idealmaß-Blick bringt mich dazu, meinen Bauch ebenfalls nicht mehr mit Liebe und Dankbarkeit, sondern mit Argwohn zu betrachten. Er ist definitiv nicht in Yoga-Power-Pre-Birth-Bestform. Ein Bikini-Shooting gewinne ich damit nicht mehr.

Aber… will ich das eigentlich noch?

Halt’s Maul, Heidi

Eigentlich – und ganz abgesehen davon, dass ich dort niemals etwas zu suchen (oder zu finden) gehabt hätte – will ich auf keinen Catwalk mehr. Ich will mich nicht mehr vergleichen. Ich will, dass Heidi ihre inkompetente Klappe hält. Denn sie mag sich in der storchenbeinigen Heulsusen-Welt der postpubertären Supergirls auskennen, aber von der bleibenden Schönheit echter Frauen versteht sie nichts.

Und ich – ich bin noch immer eine Frau. Mein Körper hat Leben geschaffen, hat Leben geschenkt, und trägt immer noch jeden Tag dazu bei, dass dieses Leben gedeiht und wächst. Und wie es wächst! Wie es gedeiht! Ich kann buchstäblich zusehen.

Neun Monate braucht der Körper, um sich von einer Schwangerschaft zu erholen, sagt man. Wie mein Bauch dann aussehen wird? Keine Ahnung. Wird meine Brust die Stillzeit gut überstehen? Ich weiß es nicht. Sehr wahrscheinlich wird beides nie mehr so aussehen wird wie vorher. Bye-bye, Power-Bauch – auf Wiedersehen, Mädchenbusen.

Wir suchen nicht den Körper aus, aber die Erinnerungen

Doch würde ich die Schwangerschaft wirklich unsichtbar – ungeschehen? – ungeschehen machen wollen? Eigentlich nicht. Eigentlich will ich eine bleibende Erinnerung an diese Zeit.

Vielleicht stört mich nur, dass ich nicht die Macht besitze, mir diese Erinnerung auszusuchen. Weil ich nicht die wunderschöne Linea Nigra behalten durfte, sondern nur die überflüssigen Hautfalten? Aber wieso sollten gerade die weniger wert sein, wo sie Fips doch all die guten Monate hindurch Platz geboten haben? Stolz sollte ich sein, stolz und fröhlich sollte ich sie herzeigen, wenn mein nächstes Bikini-Shooting im Babybecken stattfindet.

Tut mir leid, Heidi. Heute mache ich kein Foto für dich. Heute nicht, und hoffentlich nie mehr.

5 Gedanken zu “Mein Afterbirthbody & kein Foto für Heidi

  1. siegelbruch schreibt:

    Warum widmetest du deine Brust nicht deiner wahren und bewussten Lust, sondern deinem nicht zugegebenen Babyfrust, die Antwort findest du hier, aber ich sage nicht, dass du sie finden musst: http://upvs.wordpress.com
    Ich sage dir sogar: Lasse sie lieber unbewusst, sonst wird sie nur übermächtig, eben deine, gar nicht so moralische, Lust, die du dann sogar bewusstseinszeugend erkennen musst.

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