Es ist wahr: Ich lasse meist gar nicht zu, dass mein Kind ins Brüllen kommt. Sobald das fröhliche Gequieke diesen ganz bestimmten Übergangs-Unterton bekommt, schaue ich nach Fips. Und unternehme oft auch etwas, sprich: Gebe Nähe oder Aufmerksamkeit. Für mich fühlt sich das natürlich und richtig an, aber…
Früher war das aber anders!
„Lass Fips doch brüllen, das ist gut für die Lunge„, sagt mein Uropa, und der liebt sonst nichts so sehr wie sein kostbares Urenkelchen. Bei ihm ignoriere ich diesen wohlgemeinten Ratschlag am leichtesten: Diese Weisheit stammt nämlich noch von seiner Mutter, und die hatte zu Vorkriegszeiten gleich acht Mäuler verschiedener Altersstufen zu stopfen. Ohne Elternzeit, ohne Waschmaschine, ohne ThermoMix. Da ging es vermutlich nicht anders.
„Kinder müssen auch mal schreien„, sagt die Schwiegermutter und ich frage mich stumm, wieso. Sind Frust, Erschöpfung, vielleicht Angst und letztlich Resignation etwas, das man frühzeitig lernen sollte? Damit die Realität einen später nicht so leicht enttäuschen kann? Hm.
Der Moment, in dem ich das Kind nicht schreien lasse
Wäre das Mutterleben leichter, wenn ich diesen Oldschool-Ratschlag manchmal doch befolgen würde? Ich weiß es nicht. Vielleicht könnte man bei ausreichender Hartherzigkeit dann mal zu Ende essen, zu Ende putzen, zu Ende irgendein anderes eigenes Ding durchziehen. Aber trotzdem erscheint es mir paradox, Fips zu verweigern, was der offensichtliche Grund für das Unwohlsein ist: Soll ich die offensichtlich verlangte Milch, den nötigen Schlaf oder die Nähe auf später verschieben, nur damit das Kind endlich mal einen zufriedenstellenden Tobsuchtsanfall bekommt?
Der Schreckmoment
„Du bemutterst zu sehr, so wird das noch ein Muttersöhnchen“, sagt der Fipspapa einmal zu mir, „du gehst ja bei jedem Ton hin!“ Da bin ich zum ersten Mal erschrocken: Hat er Recht? Das Kind soll doch selbstständig werden! In sich selbst ruhen und nicht an Mamis Schürzenzipfel hängen! Schließlich geht es bald zur Tagesmama, und will ich etwa Schuld sein an dauerndem Geheule und beständiger Fiepsigkeit?
Dann halte ich mir vor Augen, wie verdammt klein unser Baby noch ist. Vier, fünf Monate sind es nämlich gerade mal. Kann man da überhaupt schon zu viel Nähe geben?! Meine Hebamme sagt nein. In Großbuchstaben: N-E-I-N. Und mit Ausrufezeichen!
Stoppt die Bindungsängste!
Sie erinnert mich auch daran, dass mein Baby in der Steinzeit längst gefressen worden wäre, wenn ich es schreiend und allein irgendwo liegen gelassen hätte. Und sie behauptet – als weniger anschauliche und gewagtere Theorie -, dass die Bindungsprobleme unserer Generation vermutlich daherrühren, dass unseren Müttern das Schreienlassen noch genauso eingetrichtert wurde wie die Alle-vier-Stunden-Futter-Routine.
Hallo, ihr lieben Ich-kann-mich-nicht-binden Berliner Jungs & Mädels: Fragt mal spaßeshalber die Mutti, wie sie das mit euch gehandhabt hat! Mich würden die empirischen Werte hier wirklich mal interessieren. Aber zurück zum Thema.
Bis jetzt konte ich die Frage ist das der Moment an dem wir schreien lassen jedes mal mit einem überzeugten Nein beantworten. Und ich bin froh darum. Ich will mein Kind weder abhärten, noch verweichlichen. Das machen wir alles später. Erst mal will und werde ich es weiterhin so machen, wie es sich richtig anfühlt. Und wie ich die Signale zu lesen gelernt habe.
Der Moment, in dem ich das Kind schreien lasse
Ja, es gibt sie: Diese Momente, in denen ich Fips schreien lassen muss. Aber nicht, weil ich mich fürs Schreien entscheide, sondern weil es eben nichts gibt, was ich dagegen tun kann. Weil in diesen Momenten eben nichts hilft. Kein Kuscheln, kein Essen, kein Garnichts. Aber auch wenn einfach gebrüllt wird, gibt es immer eins, was ich tun kann: nämlich da sein. In buchstäblich greifbarer Nähe. Und das werde ich, ganz egal, was andere sagen.
Und PS: Liebste Schwiegermama, als ich sah, wie du den schreienden Fips nach dem Babyschwimmen gekuschelt und geherzt hast statt ihn einfach nur schnellstmöglich in die Klamotten zu stopfen (wie ich es gemacht hätte… aber das nur am Rande), da war mir plötzlich der schöne Unterschied zwischen Theorie und Praxis klar. Und ich habe mich sehr darüber gefreut ❤
Und wenn sie sagen, der Kleine tanzt dir auf der Nase herum, antworte: Hauptsache er tanzt.
gelesen bei: lächelnfürvitus
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Das klingt schön ❤ Aber auch ein wenig verrückt!
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Hier der Link zu dem Blog, den ich eben zitiert habe: https://m.facebook.com/einlaechelnfuervitus/
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Oh ja, den kenne ich auch 🙂
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Na … kein Wunder, dass du Monate keine Zeit hattest! Ganz herzlichen Glückwunsch und Fips alles Glück der Welt.
Zu. Thema: höre einfach auf deine Intuition und alles ist gut.
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