Nach der ersten Woche entsteht nun langsam so etwas wie Babyhandling-Sicherheit – was vor allem bedeutet, dass wir Fips nicht mehr behandeln wie eine brennende Stange Dynamit, sondern bloß noch wie ein paar Rollen TNT mit langer Zündschnur. Besonders, wenn heftig geweint wird, denn das passiert diese Woche zum ersten Mal.
Das erste Bad
Tag 8: Heute merke ich, dass ich gestern viel zu viel gesessen habe – gemütlich im Bett hocken, das Kind halten und Filmschauen fällt also noch nicht wieder unter „Entspannung“. Also liege ich heute viel, und das – tadaaaa! – zum ersten Mal seit Monaten wieder AUF DEM BAUCH. Und unten ohne. Aber nun ja.
Außerdem nimmt Fips im Beisein der Hebamme und gehalten von Papas starkem Arm (okay, Papas starkem Daumen und Mittelfinger) sein erstes Bad. Leider wird die ehemalige Wäschewanne meiner Uroma, die ich aus nostalgischen Gründen gern verwendet hätte, für zu klein erklärt: Fips passt zwar noch rein, aber Strampeln und Plantschen ist nicht möglich. Es muss also etwas Größeres her. Dennoch: Liebe Omi, du hättest 121 Jahre alt werden müssen, um deinen Ururenkel kennenzulernen, aber das erste Bad fand mit dir statt und das bedeutet mir viel.
Fips gefällt das Bad ebenfalls. Ein warmer Waschlappen auf dem Bauch sorgt für Wohlbehagen und als der zweite Lappen zum Haarebefeuchten auf den Kopf gelegt wird, stellt sich heraus, dass Mamas und Papas Hutgesicht absolut vererbt wurde: Fips kann tragen, was geht.
Außerdem scheint sich ein erster Schub ergeben zu haben, was die Wahrnehmung angeht: Es werden jetzt öfter unsere Augen fixiert und man scheint sich unsere Gesichter zu merken. Sonst ist Fips weiterhin ein großer Fan von Hell und Dunkel, und hält auch schon mal den Kopf hoch, um sich hier nichts entgehen zu lassen. Auch gestrampelt wird jetzt.
Zusätzlich zu diesem Babysport drehen wir unsere erste Runde um den Block: Der Fipspapa trägt sein Baby stolz wie Bolle vorm Bauch und ich komme sensationelle 500 Meter weit. Wenn nicht 600! Dabei genieße ich die klare, kühle Luft und den Herbstsonnenschein sehr, aber ich kann einfach nicht so weit wie ich gern würde, und zuhause lasse ich mich erleichtert aufs Sofa fallen.
Btw: Auf elterlicher Seite erfolgt die erleichterte Feststellung, dass unsere Erotik noch vorhanden ist. Ich hatte schon Angst, dass der Fipspapa während der Geburt Dinge sieht, die mich hinterher nur noch als Muttertier und nicht mehr als Partnerin taugen lassen. Aber offenbar hat sein „Ich hab jetzt alles von dir gesehen, keine Sorge“ ihm nicht den Appetit verdorben. Auch damit also: eine Sorge weniger.
Der vorerst letzte Tag zu dritt
Tag 9: Wir genießen den letzten freien Papa-Tag: Kuscheln, Schlafen, Schmusen, Wickeln, Füttern – continue and repeat. Es wird komisch sein, wenn er morgen wieder zur Arbeit geht und Fips und ich ganz allein sein. Aber ich freue mich auch drauf, eine eigene Routine zu entwickeln.
Das verdammte Leistungsbewusstsein und viel Geschrei
Tag 10: Morgens um halb 6 verabschieden wir den Fipspapa nach einer gemeinsamen Kuschelstunde – bzw. er kuschelt und ich falle in Tiefschlaf, weil ich im Gegensatz zum Rest der Nacht die Verantwortung für den Mini abgeben darf und nicht bei jedem Piepser, Ratzer und Schnorchler in Alarmbereitschaft springe. Dann heißt es Abschiednehmen.
Früh um 8 Uhr kommt die Hebamme: Fips und ich sind bereits fertiggemacht und ich habe gefrühstückt; außerdem ist sie mit meiner Rückbildung und Fips’ Gewichtszunahme sehr zufrieden. Aber meine nach den letzten Tagen doch recht aufgeregte Seele wird von ihr nicht gestreichelt – dass ich das will und nach ihrem Lob lechze, merke ich auch erst heute. Aber das hebt sie sich sicher für Frauen auf, die desaströser drauf sind als ich; ich hab ja nicht mal einen anständigen Babyblues, sondern bloß ein unterdrücktes Mimimi.
Den Tag verbringe ich (fast) komplett im Bett – Baby, Laptop, Handy in Griffnähe, denn ich habe mir eine ziemliche To-Do-Liste vorgenommen:
- Die Geburtsberichte sollen endlich online gehen
- Ich muss den Kinderarzt wegen eines U3-Termins und meinen Frauenarzt wegen der Nachsorge anrufen
- Beim Einwohnermeldeamt muss ich mich wegen der Meldebescheinigung erkundigen und auch vom Arbeitgeber fehlt noch eine Bescheinigung fürs Elterngeld
- Die Dankeskarten wollen gestaltet und bestellt werden
- Abwaschen, Meerschweinchen säubern und kochen.
Das alles schaffe ich sogar – obwohl Fips zwischendurch nörgelt, weil der Laptop als Konkurrenz nicht behagt (und auch versagt, denn ich klappe das Ding einfach zu und widme mich einer ausgiebigen Kuschelstunde). Wie gesagt: Mit meinem eisernen Leistungsbewusstsein aus alten Tagen schaffe ich alles, aber abends merke ich, dass die alten Tage Vergangenheit sind: Mein Kopf dreht sich, mir ist ganz schwindelig von den Sprüngen zwischen dem neuen und dem alten Ich, und vor allem kommt das Bauchwehmonster zu Besuch.
Denken wir. Denn Fips schreit in Intervallen herzzerreißend, mit knallrotem Kopf und krümmt sich. Wir versuchen alles, um den erlösenden Pups herauszulocken und Ruhe einkehren zu lassen, aber weder Bäuchleinöl, noch Fußmassage, Musik, Kuscheln, Singen… helfen.
Nach zwei Stunden rufe ich in Verzweiflung die Hebamme an und bekomme gesagt, was sie schon im Babykurs als Mantra wiederholte:
„Du kannst nichts tun. Milch macht beim Gären Bauchweh, und Pupse sind Pupse, das kannst du nicht ändern. Ansonsten: Hunger ausschließen, Windel ausschließen und dann lass das Kind erzählen. Ein bis drei Stunden sind normal – unterbrich nicht, hör zu und bleib vor allem ruhig. Schreien ist die einzige Art, wie sie erzählen können, und vielleicht erzählt Fips grad, wie schön euer halbnackiges Kuscheln heute Morgen war.“
Danach ist mir leichter zumute. Ich schicke den Fipspapa schlafen, halte Fips im Arm, lasse ihn in mein Gesicht schreien, bestätige nur meine Anwesenheit, stille einmal pro Stunde und nach über drei Stunden Geschrei geht plötzlich der Akku aus. Stille. Mitten im Satz, quasi.
Leise und dankbar wickele und stille ich noch einmal, dann schlafen wir geschlagene vier Stunden am Stück – beide gleich erschöpft.
Das Kind und seine unwichtigen Folgen
Tag 11: Am nächsten Morgen geht mir ein Licht auf: Nicht Fips’ Bauchweh war schuld an der Schrei-Orgie – ich war es. Oder genauer gesagt: mein Leistungsbewusstsein, dass mich reizbar und gestresst macht. Ich muss lernen, dass man mit einem Baby nichts mehr schaffen kann, sondern bestenfalls Zeit für Dinge gewährt bekommt, die weniger wichtig sind als das Kind.
Denn das Paradoxe ist doch, dass alles, was ich vorhabe – Instagram, Blog, Elterngeld und Co. – nur „Folgen“ des Kinderhabens sind. Unterhaltsam und vielleicht sogar wichtig, aber ich muss mich selbst umprogrammieren, um diesen Zweitprojekten die richtige Bedeutung zuzumessen. Puh!
Also beschließe ich, heute quasi nichts zu tun. Auf dem Bauch liege ich neben dem schlafenden Baby, lese ein wenig und mache sonst gar nichts, bis meine Mutter angereist kommt (okay, ich mache hier ein paar Notizen, aber sonst… Ehrenwort!).
Ich freue mich sehr, dass meine Mutter kommt und für ganze zwei Wochen meine Unterstützung bei der Alltagseinübung sein wird. Danach habe ich mir hoffentlich eine Struktur aufgebaut, traue mich auf Spaziergänge und zum Einkaufen und sitze generell fest(er) im Babysattel.
Doch zunächst sitzen wir auf dem Sofa, bewundern die kleine Pellkartoffel, die sich nicht nur wie eine Eidechse aus der Erstlingshaut schält, sondern auch noch tausend Pickelchen bekommen hat. Wie schön es ist, meine Mama so völlig verliebt in einen kleinen Menschen zu sehen, den ich gemacht habe. Und wie verrückt zu bemerken, dass wir nun in drei Generationen auf dem Sofa sitzen und ich nicht mehr die Jüngste bin. Denn ich habe ein Baby – irre, oder? Ja, immer noch irre.
Ansonsten erwarte ich abends eine große Erzählung von der Oma – doch Fips schläft früh ein und schläft durch wie ein Stein (minus Pipi- und Milchpausen, natürlich). Die kleinen Wunder sind halt eigensinnig. Wie schön.
Das erste große Abenteuer auf zwei Beinen
Tag 12: Der Morgen beginnt mit dem Besuch der Hebamme, und gerade, als sie kopfüber zwischen meine Beine taucht, um den Stand meiner Nahtknoten zu prüfen, geht die Tür auf: Guten Morgen, Mutter! Ein wenig staunend steht meine Mama mit frischen Brötchen in der Hand da.
Aber ich habe mich schon an sämtliche Absurditäten der Nach-Geburt gewöhnt – Wochenfluss, Ausscheidungsgespräche, Einlagenkontrolle durch die Hebamme – so dass mir auch das nicht mehr peinlich ist. Stattdessen freue ich mich, dass sich einer von zwei Knoten zwischen meinen Beinen endlich in Luft aufgelöst hat.
Schöner als das ist nur, Fips beim zweiten Bad zu halten: Das Baby strampelt glücklich in der heute ausreichend großen Wanne im warmen Wasser und ich staune über das Vertrauen, das es mir entgegenbringt: Du hältst mich ja, Mama, ich werde schon nicht untergehen.
Danach folgen ein gemütliches Frühstück und ein gemütlicher Tag mit Mama.
Am Nachmittag unternehme ich quasi ein Abenteuer: Ich will bei der Postfiliale um die Ecke ein Konto für Fips eröffnen. Zum Glück geht meine Mutter mit, denn die Prozedur dauert gefühlt ewig und obwohl ich von einem Bein aufs andere trete, streikt mein Beckenboden irgendwann und ich muss mich setzen. Meine Mutter übernimmt und ich bin froh. Zuhause ist inzwischen das jammernde Chaos ausgebrochen: Fips hat Hunger und der Fipspapa erträgt es kaum, jetzt nicht helfen zu können.
Also werde ich leicht panisch angeraunzt, doch gefälligst die Brüste auszupacken und muss schlucken: Schiefe Blicke, heftige Ansagen und/oder leichte Kritik ertrage ich zur Zeit absolut nicht. Und Kommandos zum Brustauspacken gehören irgendwie dazu. Ich reiße mich zusammen, füttere das Kind, aber abends muss ich ein bisschen weinen – einfach so. Mann und Mutter stürzen sich auf mich, um mich zu trösten, und es tut gut, den Kopf für einen Moment zwischen ihnen zu verstecken als wäre da niemand Kleines, für den ich Verantwortung übernehmen muss (meine Mama weint übrigens fast mit, obwohl sie Hormone weiß, aber Mamamitgefühle hören wohl nie auf).
Der 13. ist ein Glückstag
Tag 13: Über diesen Tag gibt es nicht viel zu sagen: Meine Mutter und der Fipspapa sind unterwegs auf großer Einkaufstour und ich habe das übliche Programm: volle Windeln, lange Schläfchen, viel Milch.
Mein Highlight gibt es erst abends: Ich ziehe zum ersten Mal die Manduka-Trage an und koche mit Fips vor dem Bauch. Beweglich, frei und extrem glücklich! Es gibt Schnitzel mit Möhren und Kartoffelbrei – ganz einfach, aber mit so viel heißer Haushalts-Liebe gekocht (ja, das gibt’s wirklich!), dass mir nicht mal was anbrennt.
Hilfe, mein Baby wird erwachsen!
Tag 14: Der Tag beginnt mit Frühstück zu dritt. Tatsächlich kribbelt es den Fipspapa und mich nach etwas intimer Zweisamkeit – aber 1) bin ich down below immer noch wegen Renovierung geschlossen und 2) ist es absolut nicht zu verachten, wenn meine Mutter mit frischen Brötchen an die Tür klopft.
Nachdem der gestrige Abend mit Trage & Kochen so wunderbar gelaufen ist, mache und esse ich auch das Frühstück heute mit Baby vorm Bauch. Funktioniert wunderbar! Ich fühle mich richtig frei und zufrieden, Fips so nah bei mir und trotzdem die Hände frei zu haben.
Für den ersten längeren Spaziergang übernimmt allerdings lieber wieder der Papa. Obwohl die Manduca meinen Beckenboden auf wundersame Weise zu stützen scheint, will ich mir doch lieber nicht zu viel zumuten – außerdem gibt der stolze Vater seinen Fips bei Außenterminen nur ungern her. So habe ich Zeit zu entdecken, dass ich meinen Beckenboden auch hochziehen kann, statt ihn faul baumeln zu lassen!! Hui! So fällt das Laufen wieder deutlich leichter.
Nachmittags kommt dann die erste Freundin zu Besuch – die, bei der ich derangiert mit runtergerutschtem Oberteil und blitzendem BH am Tisch sitzen kann. Die bei der man sich auf den Teppich legen darf, wenn man müde ist. Die, die statt Blumen eine Packung Slipeinlagen mitbringt, weil man endlich die blöden dicken Einlagen nicht mehr tragen muss – genau die. Sie bleibt zwei Stunden, bewundert das picklige Pellkartoffelkind gebührend und es ist schön.
Abends liege ich mit Baby auf Bauch, während der Mann Wikingereintopf kocht. Und meine Mama den Reis vorm Anbrennen bewahrt.
Wieder ist eine Woche vorbei – was? Eine Woche schon??? Erst? Wie lange bin ich denn bitte zuhause?! Schon länger als drei Tage etwa? Ich kann es kaum glauben. Und doch ist Fips schon 14 Tage alt. Hilfe, mein Kind wird erwachsen!
Weiter geht’s mit der dritten Woche… und dem ersten Versuch einer Tagesstruktur.