Junge oder Mädchen – alles Kopfsache?

Ich bin nicht als Gendermensch erzogen worden – Gespräche à la „Das darfst du nicht, weil du ein Mädchen bist“ gab es mit meinen Eltern nie. Stattdessen bin ich weitgehend neutral aufgewachsen und bin auch während meiner Pinke-Rüschen-Phase auf Bäumen rumgekrochen. Ich habe Geschlecht nie in Frage gestellt, nie als Ansatz für eine Lebenseinstellung behandelt. Doch jetzt, während der Schwangerschaft, beschäftigt mich dieses Thema. Was wird unser Fips sein?

Das Erziehungs-Konzept „Räubertochter“

Für ein Mädchen hätte ich ein bald tausend Mal durchdachtes Erziehungskonzept parat, dass sich in einem für mich sehr positiven Begriff zusammenfassen lässt: nämlich Räubertochter. Mein Mädchen würde wie ich jedes „Hobby“ haben dürfen: mit dem Opa in der Werkstatt basteln und mit der Oma Brot backen, gemeinsam mit uns kochen oder an der Mini-Werkbank schrauben, Kleidchen tragen und Latzhosen. Sie würde frei sein und wild, aber dabei gut erzogen sein und auf keinen Fall Prinzesschen sein. Dafür hätte sie einfach viel zu viel Spaß an Natur und zuwenig Angst vor Flecken.

wenn du ein mädchen wirst

So weit wäre sie wie ich. Doch ich würde auch versuchen, ihr ein Gefühl für ihr Mädchensein zu geben: Denn das habe ich erst spät, in Eigenregie und immer noch nicht ganz gelernt. Dabei ist es schön, Komplimente auch annehmen zu können und die eigene Weiblichkeit als Kraft in sich zu spüren. Es ist schön, die eigene Schönheit zu entdecken (wenn sich nicht alles dabei um die Einhaltung industrietauglicher Normen dreht). Es ist schön, den eigenen Körper endlich zu verstehen – und zu schätzen. Mein Mädchen sollte dieses Wissen von Anfang besitzen dürfen. Sie würde nicht als Neutrum heranwachsen – sondern als starkes, selbstbewusstes und eindeutiges Mädchen, das selbst über sein Leben entscheidet.

Ich weiß, dass ich das schaffen würde. Und ganz abgesehen davon gibt es auch den Traum, mit meiner Tochter so alt zu werden wie meine Mutter mit mir älter wird: mit langen Spaziergängen durch botanische Gärten, mit gelegentlichen Shoppingtouren und vertrauten Mutter-Tochter-Gesprächen.

Kurz: Für eine Räubertochter hätte ich einen Plan. Über Jungs dagegen weiß ich praktisch nichts. Jungs sind mir sehr fremd und sehr fern. Oder schwimmt da längst ein kleiner Boy in mir herum? Und was mache ich dann?

Keine Ahnung von Jungs

Der Räubertochter-Begriff ist eine eindeutige Pro-Bezeichnung: Er kennzeichnet, was mein Mädchen sein kann – und nicht, was sie nicht sein kann. Wenn ich über Jungserziehung nachdenke, geht es mir umgekehrt. Mir fallen nur Anti-Begriffe ein: Ich will keinen Macho, keinen Kriegsspieler, keinen Rotzbengel, keinen Prinzen.

Ich weiß nur, was ich mir für meinen Sohn auf keinen Fall vorstellen möchte – aber eine Idee, wie ich mit Erziehung dazu beitragen kann, habe ich überhaupt nicht. Denn ich möchte nicht den ganzen Tag schreien: „Mach dies nicht, mach das nicht“. Ich will – wie bei einem Mädchen – rufen: „Mach! Sei! Leb! Los, mein Kind!“

wenn-du-ein-junge-wirst

Nur bei einer Sache bin ich mir sicher: Die Rechte und Pflichten für Jungs und Mädchen sollen für uns dieselben sein. Beide werden schlammbaden oder sich die Nägel lackieren dürfen, wenn ihnen danach ist. Und sie werden beide im Haushalt helfen (schließlich haben wir schon eine winzige Schürze im Kleiderschrank). Vor allem werden sie beide entscheiden dürfen, was sie wollen und wie sie es wollen. So wie ich früher.

So weit, so gut. Doch was tue ich, damit ein Fipsjunge nicht auch als Neutrum heranwächst? Oder als der Krachmacher meiner übelsten Alpträume?

Kluge Männer haben mir erzählt, dass es außerdem verdammt schwierig geworden ist, männlich zu sein. Frauen dürfen und können im Zuge der Gleichberechtigung immer mehr – vor allem dürfen sie offiziell gegen alles kämpfen, was inoffiziell immer noch falsch läuft: Ihr Weg heißt Du kannst, wenn du stark bist. Für kluge Männer scheint das Motto eher Ätsch! zu lauten. Klar, es gibt immer noch einfach gestrickte Machos, aber eigentlich sind die völlig aus der Mode: Moderne Männer sollen Frauen achten und im Bett den Macher geben, Gefühle zeigen und kein Softie sein, ihren Weg gehen und Fraueninteressen fördern – alles gleichzeitig! Wenn Frauen inzwischen alles dürfen, müssen Männer heute alles sein. Darin den eigenen, klugen Weg zu finden… puh.

Easy-peasy Machosein werde ich bei Fips allerdings nicht zulassen. Und ja – mir graust ganz egoistisch vor Ballerspielen, Fußball, Waffenaffinität und all den Klischees. Doch während ich für ein Mädchen den Weg klar vor mir hätte, ist da für einen Jungen einfach (noch) keine Idee.

Bis auf diese: Vielleicht sollte ich mal den weltbesten Ehemann fragen*. Denn der ist schließlich ein Mann und war demzufolge mal ein Junge. Er müsste also wissen, was Jungs brauchen, was sie tun und wie sie es am besten haben können.

Denn dass ich das Beste für Fips geben werde, ist klar. Es ist schließlich unser Kind.

* Nachtrag: Der weltbeste Ehemann war übrigens sehr irritiert als ich nach geschlechtsspezifischen Erziehungskonzepten fragte. Er sagte, er würde einfach beibringen wollen, dass unser Kind andere behandelt wie es selbst behandelt werden möchte. Das wäre alles. „Oder Moment“, er grinste, „wenn es ein Junge wird, würde ich mir keine abgesägte Schrotflinte zu Verehrer-Abwehr zulegen müssen – und das wäre doch gut, oder?“

4 Gedanken zu “Junge oder Mädchen – alles Kopfsache?

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