Mein Körper, der Kampf und ich.

Wofür kämpfe ich eigentlich mit meinem Körper? 

Es ist ja nicht so, als könnte ich einen Meißel ansetzen und mit einfachen Hammerschlägen Botticellis Venus aus mir machen. Und selbst die hatte einen Bauch! 

Ich denke ja eher an rundum straff und fest, also eher Michelangelos David, aber der ist drei Dinge, die ich nicht bin. Nämlich ein Mann, höchstens zwanzig und aus Stein. 

Was verlange ich also von diesem Körper aus Fleisch und Blut, der ein Kind ausgetragen, geboren und gestillt hat, und mich seit vierzig Jahren ohne große Ausfälle zuverlässig durchs Leben trägt?

Ich schaue mich im Spiegel an, als könnte ich ein Messer ansetzen und mit Nadel und Faden arbeiten. Hier etwas weniger, das kann bleiben, das ein bisschen straffer – dort noch und hier noch und dann wäre es endlich gut. Endlich gut, was soll das sein? Könnte ich dann endlich fühlen, dass ich gut bin?

Mein Körperbild ist Instagram. Wohlgeformte Menschen, die den ganzen Tag nichts zu tun haben, als Yoga zu machen, sich gesund zu ernähren und mit Filtern und guter Beleuchtung auch noch die letzte Imperfektion zu beseitigen. Klar, die posten auch mal ein Video, wie sie ungeschminkt aussehen, welches Chaos auf der anderen Seite der Kamera herrscht oder wie sie beim Handstand umfallen. Haha, nice.

Aber das Bild, das bleibt, ist nicht das, was ich im Spiegel sehe. 

Was ich im Spiegel sehe, ist das, was mir begegnet, wenn ich im echten Leben in die Therme gehe, ins Schwimmbad oder in den Hammam. Echte Frauen mit echten Beinen und echten Bäuchen und echten Brüsten. Narben, Hautfalten, Formen, Farben. 

Aber ich vergesse das wieder. Und lande wieder bei Instagram und suche wieder Perfektion bei mir. 

Ich bin das so müde. Wenn ich die Augen schließe, ist mein Körper okay. 

Ich fühle Stellen, die Liebe brauchen. Um die ich mich kümmern muss, wenn mein Körper weiter so gut mit mir leben soll. Aber der Rest – der fühlt sich okay an, richtig sogar, wenn ich nicht hinsehe. Ich sehe einen guten Körper, wenn ich nicht hinsehe.

Aber wenn ich die Augen öffne, ist die Kritik sofort wieder da. 

Wenn ich alte Fotoalben durchblättere, erkenne ich zwei Menschen in mir: eine junge Frau, die in ihrer Art einfach schön und flawless ist – und ein unsicheres Ding, was das überhaupt nicht merkt und denselben Kampf kämpft, den ich heute noch führe. 

Und ich weiß genau, dass ich dasselbe denken und sehen werde, wenn ich mir mit achtzig Jahren die Fotos von heute anschaue.

So viel Zeit, so viel Kampf, so viel Traurigkeit und Scham und Wut und Unsicherheit. 

So viel verschwendet. 

Ich möchte das ändern. Möchte frei sein von der Zahl auf der Waage, von Kleidergrößen, von Sportzwang und Kalorienkontrolle. Möchte jetzt sehen, was ich habe, was ich bin – jetzt, und nicht erst zwanzig Jahre später. 

Ich bin heute gut. 

Wie schön das wäre, ohne Kampf.

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