Der Countdown läuft nun offiziell. Dabei hatte ich mir immer gewünscht, dass Fips sich eines Tages selbst von der Brust abwenden würde. Ein bisschen Zeit ist noch bis zum Abschied, aber dass das noch passiert, ist unwahrscheinlich.
Ich werde also abstillen. Nach 20 Monaten. Ja ja, ich sehe die schrägen Blicke: „Waaaas?? 20 Monate? Du klammerst ja ganz schön!“ und „Du hättest das längst tun müssen. Jetzt hast du den richtigen Moment verpasst. So wird dein Kind nie selbstständig!“ und „Jetzt jammer‘ nicht rum. 20 Monate sind ja wohl mehr als genug. Du willst doch deine Freiheiten haben, dann musst du auch Konsequenzen ziehen.“
Tja. Die Wahrheit ist, dass mich diese Sprüche zwar verunsichern, aber das ich ihnen nicht glaube. Meine Leitlinie, wenn man es denn so nennen will, war immer die Frage, was eine Steinzeitmutter tun würde. Und abgesehen davon, dass ich zu Höhlenmenschenzeiten entweder längst wieder schwanger/frisch entbunden/längst gefressen wäre, lautet die Antwort in der Regel, dass ich Fips‘ Bedürfnis nach Nähe, Körperkontakt und auch nach Milch so gut ich kann erfülle.
Konzept Steinzeitmutter
Es ist keine Kritik an anderen Lebensmodellen (denn jeder findet den Weg, der zur eigenen Familie am besten passt): Aber mein Konzept war nie, ein praktisches Kind zu haben. Stillen, Einschlafbegleitung und Co-Sleeping, gemeinsame Beschäftigungen, viel Reden und Erklären, körperliche Wärme… das gehört für mich alles zusammen, ohne zum Dogma zu werden.
Denn ich gehe arbeiten, bin mal einen Tag lang unterwegs oder gehe abends zum Yoga. Und das kann ich auch. Weil Fips andere Bezugspersonen akzeptiert: die Tagesmama zum Beispiel, die Oma und nicht zuletzt den Papa. Weil Fips sich gern aus meinem sicheren Hafen hinauswagt, um die Welt zu entdecken.
Dein Hafen, deine Welt
Und diese Neugier, dieses Vertrauen und diese Entdeckungsfreude sind auch der Grund, warum ich die Sprüche nicht geglaubt und die Blicke so gut ich konnte ignoriert habe (ein bisschen frisst der Wunsch nach Rechtfertigung ja doch immer an einem). Klar sind da auch Unsicherheiten, wenn man es anders macht als „man es macht“. Aber wer hat denn das Recht auf die einzige Wahrheit, wenn doch jedes Kind anders ist?
Fakt ist, dass sich diese 20 Monate für Fips und mich einfach richtig angefühlt haben. Eng verbunden, vertraut, sicher und einfach gut. Fakt ist auch, dass Fips die Milch manchmal noch sehr viel Frieden bringt. Dass an manchen Tagen die Brust immer noch Rettung ist. Fakt ist, dass die Brust nachts in 90% der Fälle das Einzige ist, das Fips von mir als Beruhigung will – nicht kuscheln, nicht hochnehmen, nicht streicheln, nichts anderes. Fakt ist aber auch, dass es die anderen 10% noch vor ein paar Monaten gar nicht gab: Fips lernt also. Und ohne mich, mit Papa oder bei der Tagesmama geht es auch 100% anders.
Mein Kind kann also. Es mag nur noch nicht. Nicht immer. Nicht bei mir.
Das Ultimatum
Gestern abend hatte ich einen Zusammenstoß mit dem Fipspapa. Ich war nicht zuhause gewesen als er Fips ins Bett brachte und auch seine verzweifelten Nachrichten las ich erst über eine Stunde später. Denn Fips hatte getobt und in den höchsten Tönen nach Mama gebrüllt, was Vater und Kind beide an den Rand der Erschöpfung brachte.
Als ich nach Hause kam, schlief der Eine (endlich) und der andere war sauer. Wieder hörte ich, woran ich sonst nicht glauben mochte. Und diesmal machte es mich ganz schön klein. Denn ich will ja nichts weniger als Fips in seiner Entwicklung zur Selbstständigkeit aufzuhalten.
Aber ich wollte mir auch nichts vorschreiben lassen. Denn am Ende ist es meine Brust. Und Fips‘ Bedürfnis. Aber ich versprach zu lesen, mit kompetenten Menschen zu reden und in mich hineinzuhorchen.
Ich darf traurig sein, und trotzdem erleichtert
Heute morgen sprach ich also als Erstes mit Fips‘ geliebter Tagesmutter, die uns schon bei der Einschlafbegleitung so wertvolle Tipps geben konnte. Und was sie sagte, befreite mein Herz. Denn sie sprach nicht von Unselbständigkeit, sondern von Stärke – dass Fips‘ Seele stark genug wäre, um neue „Beruhigungsmittel“ zu finden. Und dass ich Fips weder meine Liebe, noch die Geborgenheit nehme, wenn ich die Brust entziehe.
All das erleichterte mich sehr, denn ich weiß, wie leicht Fips das Tagesbetreuungsleben lebt („Klasse“ und „lieb“ sind die Wort, die Fips benutzt, wenn von der Tagesmama die Rede ist). Und dazu kommt, dass vielleicht auch mein Körper langsam die Reißleine zieht. Nicht wegen des Stillens, oder nicht nur deswegen, sondern generell. Jedenfalls muss ich demnächst einen dreitägigen Zwangsurlaub unternehmen, fipslos.
Was mir zunächst das Herz brach, erscheint mir nach dem Gespräch mit der Tagesmama als logischer Wendepunkt: Das wird unsere Zeit des Abschieds sein. Die Zeit eines weiteren kleinen Abschieds von meinem Kind, das jeden Tag ein Stückchen größer und erwachsener wird. Ein weiterer Abschied in der langen, langen Reihe von Abschieden, die noch kommen werden.
Abschied. Und Neuanfang.
Trotzdem spüre ich körperlich eine seltsame Ruhe, beinahe Erleichterung. Ich weiß nun, wann das Ende dieser Ära da sein wird. Dass mir bei diesem Gedanken die Tränen kommen, will ich nicht verbergen. Denn die zweite kluge Frau, mit der ich darüber sprach, sagte, dass ich traurig sein darf – egal, wie richtig es sich sonst anfühlen mag.
Vielleicht wird das hier auch längst nicht der letzte Beitrag dazu sein, denn mein Herz hat das alles noch längst nicht verdaut – aber wir machen diesen Schritt, mein Fips. Und wie weit wir auch gehen, mein Hafen wird für dich immer offen sein, wenn du meine Liebe brauchst. Für immer und ewig.
Liebe Sabine, dein Text berührt mich sehr, da mein Kind vermutlich auch nicht von alleine abstillen wird. Ich bin immer noch mit großer Freude dabei, deshalb steht es uns noch nicht bevor, aber irgendwann wahrscheinlich schon. Das macht mich jetzt schon sehr traurig. Was hat dich denn letztendlich dazu bewegt, den Entschluss zu fassen? Ich bin gespannt, wie es bei euch weitergeht! Liebe Grüße und alles Gute!
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Liebe Diana, es ist wirklich nicht einfach… aber ich muss jetzt wie geschrieben ein paar Tage weg, in denen Fips mich & die Milch vermissen und ohne beides auskommen wird. Ich glaube, ich will dann einfach nicht noch eine Runde Milchentwöhnung für uns beide. Wir nehmen den Anlass als Wink des Universums, sozusagen.
Ich werde aber bestimmt noch drüber schreiben… denn leicht und trivial ist es trotzdem nicht. Liebe Grüße!!
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Liebe Sabine, dein Text hat auch mich sehr berührt, denn ich kenne die Gefühle nur zu gut. Meine Kleine ist auch 20 Monate und ich stille ebenfalls noch. Ich kenne ebenfalls diese Sprüche und die Konflikte mit dem Partner deswegen. Sehr lange habe ich mich davon in meiner eigenen Einstellung zum Stillen beeinflussen lassen und hatte zunächst vor, sie mit einem Jahr abzustillen. Ich konnte und wollte dann aber doch noch nicht, da wir beide noch lange nicht so weit waren. Der nächste Zeitpunkt, den ich mir (letztlich hauptsächlich wegen des Einflusses von anderen) gesetzt hatte, war mit 18 Monaten. Auch dieser verstrich, weil sie in den Wochen davor und bis lange danach gerade zahnte – eine willkommene Begründung auch ggü anderen, warum ich denn noch weiterstillte. Letztlich war der wahre Grund, dass ich noch immer selbst nicht bereit dazu war. Das wurde mir vor einiger Zeit klar, als ich dachte, ich müsste wegen einer ambulanten OP abstillen. Eine Woche vorher habe ich abends beim Einschlafstillen bitterlich geweint bei der Vorstellung, diese innige Verbindung nur noch wenige Tage genießen zu dürfen. Einen Tag später erfuhr ich von der Anästhesistin, dass ich trotz der OP weiterstillen darf. Mir fiel ein riesiger Stein vom Herzen. In ein paar Tagen habe ich ein Wochenendtreffen, zu dem ich ursprünglich allein fahren wollte. Nun nehme ich Mann und Kind mit. Die Maus und ich sind noch nicht soweit. Sie fängt gerade wieder an zu zahnen und braucht die Brust daher umso mehr. Ich habe mir nun vorgenommen, noch so lange zu stillen, bis ich selbst überzeugt bin, dass ich das nicht mehr möchte. Ich denke, erst dann wird das Abstillen gelingen. Das haben mir auch schon mehrere Mamis so berichtet. Daher mein Rat für dich: Höre noch mal in dich hinein, ob du wirklich Abstillen willst oder ob es eher aus einem Gefühl des Müssens heraus entsteht, zB wegen des Zwangsurlaubs oder aus Rücksicht auf deinen Mann. Vielleicht findet sich zB für den Urlaub doch noch eine gemeinsame Lösung. Wenn du hingegen wirklich aus eigenem Wunsch davon überzeugt bist, wird das Abstillen sicher gut gelingen. So oder so wünsche ich dir und deinem Fips auf diesem Weg alles Liebe!
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Liebe Julia,
genau diesen Rat gab mir auch eine Bekannte (und Stillberaterin). Ich habe dann noch einmal überlegt und in mich hineingehört… und tatsächlich war im tiefsten Inneren die Entscheidung zum Abstillen gefallen. Trotzdem habe ich beim letzten Mal (und noch oft danach) geweint und auch jetzt ist das Thema immer noch sehr sehr emotional manchmal.
Fips hat es gut verkraftet, nur manchmal bei großer Müdigkeit oder im Halbschlaf ist die Verzweiflung noch mal groß. Aber auch da finden wir Mittel und Wege inzwischen.
Ich finde es super, dass du immer noch stillst und deine Position hier so stark vertrittst. Großartig!! Und ich denke auch, dass du absolut recht hast: Wenn du soweit bist, ist der Zeitpunkt gekommen. Vorher geht es keinen was an.
Vielen Dank, dass du deine Geschichte mit mir geteilt hast ❤
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