Die Kugel-Guerilla oder Bäuche an die Macht!

Wenn man mich von der Seite anschaut, sieht man es genau: Inzwischen reicht der Bauch über die Brust hinaus. 93 Zentimeter waren es bei der letzten Messung, und ich bin mir sicher, dass Fips seitdem noch einiges draufgepackt hat.

Alles andere als 90-60-90-Modelmaße also, aber ich muss sagen: Ich war noch nie so zufrieden mit meinem Körper. Ja, ich vermisse es ein wenig, mich ohne Schnaufer und Bauchdrücken zum Schuhzubinden bücken zu können, und wenn das Telefon klingelt (das bei uns logistisch äußerst ungünstig hinter der Couch auf dem Boden platziert ist), erwische ich den Anrufer selten bevor er wieder auflegt.

Der wachsende Bauch macht, dass der weltbeste Ehemann sämtliche Schlepperei und viele zusätzliche Wege übernehmen muss und auch gern übernimmt, wie er sagt. Für ihn ist die Schwangerschaft wohl so etwas wie vorrübergehende Sklaverei im Kleinformat – für mich ist es eine Befreiung im Kugelformat.

Befreiung von mir selbst

Befreiung – wovon? Zum Einen von meinem Kontrollzwang und der Tatsache, dass ich Dinge sonst lieber selbst mache, statt andere um einen Gefallen zu bitten. Zum Anderen befreit es mich vom Leistungszwang eines Schönheitsideals, das mich als Nicht-Konsumentin von Modelshows und Modemagazinen offenbar mehr betrifft als ich dachte. Denn zum allerersten Mal ist es mir erlaubt (und erlaube ich mir selbst), auf meinen Körper zu hören: Ich muss weder den Bauch einziehen, noch ständig Sport machen. Ja, beides gehörte zu mir und beides habe ich nicht ungern gemacht. Aber es ist auch befreiend, es nicht tun zu müssen bzw. zu können, denn Baucheinziehen ist schon seit fünf Monaten nicht mehr drin.

Und trotzdem – nennt es kitschig! – fühle ich mich geborgen dank der Kugel. Ich erlebe ein Maß an freundlicher Aufmerksamkeit und liebevoller Anteilnahme, das mir vollkommen neu ist – vom Bauchanfassen mal ganz abgesehen. Niemand nimmt es mir übel, wenn ich am Kaffeetisch einschlafe oder etwas Schweres lieber stehenlasse. Im Gegenteil: Ich werde regelrecht umsorgt. Bloß keine Hektik, Unbequemlichkeit oder ein ungestilltes Gelüst für die Fipsmama! Ich staune immer wieder und genieße mit Dankbarkeit die Kraft, die mir dadurch gegeben und die ich so an Fips weitergeben kann.

Ein neues Körpergefühl

Kein Baucheinziehen für irgendein Silhouettenideal, keine Sorge anderen mit meiner Gegenwart zur Last zu fallen… das allein würde schon reichen, um diese neun Monate besonders zu genießen. Doch dazu kommt ein neues Vertrauen zu meinem Körper.

Ich war immer als Körperklaus bekannt: jemand, der seine Extremitäten nicht unter Kontrolle hat und sich weder elegant, noch ohne blaue Flecken bewegen kann. Ich dachte, mein Körpergefühl wäre nicht vorhanden oder absoluter Mist. Aber das stimmt so nicht. Vielleicht kann ich schlenkernde Handgelenke nicht vor Kollisionen mit Türrahmen bewahren, ja! Aber ich habe die Schwangerschaft von Anfang an gespürt und noch bevor Fips die ersten richtigen Tritte verteilen konnte, habe ich gefühlt, wie es sich in meinem Bauch regte. Ich kann mit meinem Baby kommunizieren, indem ich denke: Jeden Tag beantwortet es mein Guten Morgen mit einem Backflip, bevor es weiterschläft.

Und ich habe Vertrauen gelernt. Mein Körper macht alles richtig. Ob es furchtbarer Appetit auf Gummitierchen ist oder Kreislaufprobleme oder diese wirklich unfreundlichen Steißbeinschmerzen: Es wird alles seinen Grund haben. Alles ist richtig und trägt dazu bei, einen gesunden Fips auf die Welt zu bringen. Zum ersten Mal im Leben bin ich nicht falsch oder seltsam oder muss mir das Richtige erst erkämpfen. Nein. Es ist einfach alles gut wie es ist.

Ich bin ich. Es wird viel auf mich und auf uns zukommen: Schon jetzt staune ich, wie am Kaffeetisch die Diskussionen hochbranden, wenn drei Generationen über Erziehungsmethoden oder Tragesäckchen debattieren. Unseren Weg darin zu finden und zu halten, das wird sicher nicht leicht. Dazu durchwachte Nächte mit einem zahnenden Fips auf dem Arm und kleinkindliche Trotzköpfigkeit. Hui!

Aber der beste Ratschlag, den ich bisher bekam, war dieser: Hör auf deinen Bauch und wenn der sagt, dass es richtig ist, dann ist es das auch. Die Schwangerschaft ist also hoffentlich genau das: nämlich der Anfang von etwas, das richtig ist, weil es sich richtig anfühlt.

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