Stillen ist nicht nur Mama-Sache!

Stillen hat mich zur Mutter gemacht. Der zaghafte und doch energische Druck der kleinen Zunge, die winzigen Lippen, der unverwandte Blick: Mich traf die volle Magie des „first latch“. Und die Erkenntnis, dass in meinem dicken Partybauch tatsächlich ein richtiger Mensch herangewachsen war. Es wurde plötzlich greifbar: Da ist jemand. Da ist jemand, der dich braucht. Der dir ganz vertraut und für den du da sein wirst bis ans Ende aller Tage. Und die Magie des „first latch“ hielt an: Fips trank gern und viel, und schlief in der Regel glücklich und zufrieden dabei ein.

Aus dem Zufall wurde Gewohnheit: Wir stillten in den Schlaf. Elf Monate lang. Mama, Kind. Wir beide, und draußen die Welt. Zu der übrigens auch der Papa gehörte, aber wir beide waren viel zu gemütlich, um das zu bemerken. So weit, so gut. Doch dann kam die Stunde der Tagesmama.

Alles muss anders werden

Fips’ Eingewöhnung begann mit 10 Monaten: Das hat sich so ergeben und das ist auch gut so, denn Fips braucht eindeutig andere Kinder. Der erste Monat lief gut und immer besser, nur das Mittagsschläfchen ist noch schwierig – um nicht zu sagen: unmöglich.

Verdammt! Es macht mich krank, dass wir trotz doppelt und dreifacher Eingewöhnungszeit nun doch unter Druck stehen: Meine Elternzeit dauert nur noch vier Wochen. Dann muss Fips einen ganzen Tag ohne mich happy sein, denn ich muss wieder ins Büro. Und meine Brust geht mit mir. Ob wir das wollen oder nicht. Dabei wollte ich genau diesen Druck vermeiden. Ich wollte immer mein Kind entscheiden lassen, wann es stark genug ist, ohne Powermilch durch die Welt zu stapfen!

Nur wann ist es stark genug? Noch fühlt es sich nicht so an. Noch wird die Brust tagsüber und nachts deutlich verlangt. Aber trotzdem sind die Nächte der letzten Wochen nicht immer glücklich zu nennen. Stattdessen soff sich Fips zwar voll (man entschuldige den krassen Ausdruck, aber nichts trifft es besser), dockte auch ab, aber schmiss sich Sekunden später mit einem Wutschrei aufgeschreckt wieder an die Brust. Da war kein Glück mehr, kein Frieden. Da war Unruhe, da war Abhängigkeit.

Bye-bye, Brustbaby?

Klar ist Fips brustabhängig, könnte man sagen. Ist ja noch ein Baby! Das weiß ich auch, und das meine ich nicht. Abstillen kommt noch längst nicht in Frage. Und sogar stundenlanges Genuckel oder rabiates Brust-auf-ex kann ich ertragen, auch mit schmerzendem Rücken und wehen Brustwarzen, wenn ich merke, dass Fips die Nähe und die Geborgenheit gut tut. Aber so war es eben nicht mehr. Die unmittelbare Nähe der Milchbar schien nichts durchweg Gutes mehr zu sein.

Was, wenn die schönen Momente der Vertrautheit sich nun umkehrten, was, wenn aus unserem engen Stillverhältnis ein Fluch würde? Und was, wenn ich die lebenswichtige Nähe nun entziehe, wenn ich das Stillverhältnis ändere, aufgebe, vernichte? Ich will meinem Kind doch absolute Liebe und Geborgenheit vermitteln!

Trotz aller Zweifel und Sorgen begann ich mit einem Wechsel vom Familienbett ins eigene Zimmer: Fips im Gitterbettchen, Mama auf einer Matratze davor und bei Brust-Bedarf mit ins Minibett gequetscht. Und die Nächte wurden tatsächlich ein wenig ruhiger. Doch mir kamen immer öfter die Tränen. Denn die nagende Sorge, dass ich Fips mit der Brust als Einschlafhilfe keinen Gefallen mehr tue, ließ mich nicht los. Vor allem in Kombination mit Tagesmutter, Elternzeitende und Mittagsschläfchen auswärts.

Der Fluch der schönsten Momente

Die Tagesmutter rettet mich schließlich aus dem Gedankenkarussell. „Du hast die Brust, aber Fips hat auch einen Papa“, sagt sie.

Stimmt. Nur, dass der Papa bis auf wenige Ausnahmen bisher keine Rolle in unseren Nächten gespielt hat: Er muss morgens fit sein, Punkt. Und ich bin ja zuhause, Doppelpunkt, Ausrufezeichen. So ergab sich über die Monate eine klare Aufgabenverteilung: Papa macht Spaß und Mama macht… na ja, alles andere eben. Lange war das okay, doch in mir wuchs das Gefühl, ganz allein einer endlosen To-Do-Liste gegenüberzustehen. Kindererziehung, Pflege, Bekleidung, Ernährung, Belüftung… all das war meine Zuständigkeit. Dabei war ich doch auf diesem Gebiet ebenso neu und ahnungslos wie der Fipspapa! Welches Recht hatte er, mich hier allein zu lassen?! So waren wir keine Familie, sondern ich bloß eine Mutter mit Mann! Und zeitweise machte mich das sehr wütend.

Was ich nicht wusste: Während ich immer einsamer wurde, fühlte sich der Papa bei allem Schlafluxus und Spielspaß zunehmend ausgegrenzt. Potzblitz. Das wusste ich nicht. Und das hatte ich niemals gewollt. Aber egal. Schuldgefühle wegen der Vergangenheit ändern nichts, aber wir können für die Zukunft etwas ändern. Und dabei gleich unser Brust-Schlaf-Problem angehen.

Das Experiment

Mit vielen stärkenden Worten und Tipps der Tagesmama im Gepäck machten wir uns also an das Experiment: Zur Gute-Nacht-Zeit bekam Fips seine Milch serviert, mit einer Extraportion Mama-Kuscheln und der Erklärung, dass Stillzeit von nun an nicht mehr Schlafenszeit bedeuten würde. Danach verabschiedete sich Mama, und Papa blieb. Windelte. Trug. Kuschelte. Redete. Erklärte ebenfalls. Machte Mut. Gab Fläschchen. Spielte Entspannungsmusik.

Und exakt 30 Minuten, nachdem ich vorm ersten möglichen Fipsgeschrei aus dem Haus geflohen bin, klingelt mein Handy: Der Fipspapa. Mein Herz setzt aus: Was ist passiert? Wieso kann der schon telefonieren?

Nichts war passiert. Nichts und doch alles. „Das Kind pennt“, wird sehr bescheiden verkündet. Und ich kippe fast vom Sofa. Das Kind schläft! Ruhig, zufrieden, im eigenen Zimmer, und OHNE MAMA!!! Ich platze fast vor Stolz und der Fipspapa platzt mit.

Auch das erste Aufwach-Meckern meistert er souverän in 15 Minuten; danach tauschen wir, damit Fips sich nach dem guten Start nicht in ein Hungerdelirium hineinsteigert. Und dann passiert das Schönste: Fips erwacht, sieht mich und springt mir mitnichten panisch an den Hals!! Der Blick ist vielmehr entspannt zu nennen: Ach Mama, du bist ja wieder da. Och, dann nehme ich ein Schlückchen, danke.

Papa übernimmt

Unser Plan ist nun, Papa die „normalen“ Einschlaf-, Aufwach- und Trösteaktionen übernehmen zu lassen, und Milch irgendwann vorrangig bei Hunger zu reichen. Denn Brust entziehen ist nicht der Plan. Nähe entziehen ist nicht der Plan. Mama entziehen ist nicht der Plan! Wir schichten nur ein wenig um. Aber nun ist der Papa zu einer tragenden Säule in unserem Schichtsystem. Das spürt, das zeigt auch Fips bereits nach der ersten Nacht, und lässt sich bereitwillig (nach einer kuschligen Mittagsmilch) auch tagsüber von Papa in den Schlaf wiegen.

Ein Tag hat wieder mal alles verändert. Als Fips geboren wurde, waren wir ein Paar mit Kind. Jetzt hat sich zwischen uns dreien, zwischen Mama-Papa-Kind, irgendwie ein Kreis geschlossen, in dem wir nun eins sind. Jetzt sind wir Eltern.

Das Geschenk des Stillens hat mich vielleicht zur Mama gemacht. Aber das Geschenk der Stillorganisation macht uns nun zur Familie. Und ich könnte nicht dankbarer sein ❤

5 Gedanken zu “Stillen ist nicht nur Mama-Sache!

  1. Co schreibt:

    Vielen Dank für deinen schönen Text! Ich fühle mich zur Zeit mit meinem vier Monate alten Sohn auch wie eine Mutter mit Mann und bin sehr wütend, weil der Mann sich mit dem Papa-sein so schwer tut und so viel an mir hängen bleibt. Aber dein Text macht mir Mut, dass auch wieder gleichberechtigtere Zeiten kommen 🙂

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    • Sabine Wirsching schreibt:

      Fühl dich willkommen!! Ja, mit vier Monaten sind die kleinen Mäuse schon noch sehr mamafixiert und man fühlt sich, als müsse man alles allein machen. Aber wenn ich so drüber nachdenke, hätte ich den Fipspapa auch damals schon sehr viel mehr einbeziehen sollen/können/müssen. Es ergab sich irgendwie, dass vom Baden und Trösten über Wickeln und Beschäftigen alles an mir hängenblieb. Doch vielleicht können dir ein paar (beispielhafte) Überlegungen helfen: Musst du zum Beispiel mit dem Mini in die Wanne oder könnte der Papa das tun? Musst du das Fläschchen geben (falls ihr das tut)? Vielleicht hilft es ja, all die Babytätigkeiten einmal aufzulisten und zu überlegen, ob das eigentlich alles wirklich „deins“ sein muss. Oder ob der Papa da nicht auch etwas übernehmen kann und sollte. Wenn er sich schwer tut, hat es vielleicht mit Angst vorm Falschmachen zu tun… aber hey, dann kann er wenigstens kochen und putzen, denn da gibt’s schließlich keine Baby-Querelen 😉 Gib nicht auf, redet ganz viel und dann wird sich das Gleichgewicht auch wieder einstellen. Alles Liebe!!

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