Mein zweiter „richtiger“ Ausflug mit Fips! Geplant war ein Treffen mit einer schwangeren Freundin in Friedrichshain. Eigentlich ein Klacks, möchte man meinen. Das gilt allerdings nicht ganz, wenn man Tramfahrten und Café(be)suche unter dem Fokus „Babybedürfnisse“ betrachtet.
Den Startschuss gab die BVG: Von Schöneweide nach Friedrichshain kommt man entweder (mit Umsteigen) mit der S-Bahn oder (durchgehend) mit der Tram. Ohne Kind bin ich grundsätzlich lieber Tram gefahren; mit Kind wollte ich mir obendrein gern den verdreckten Aufzug am S-Bahnhof Schöneweide sparen. Gedacht, getan – und dann auch noch das Glück gehabt, dass „meine“ Tram keine Oldschool-Variante mit steilen Treppenstufen, sondern die kinderwagenfreundliche Flachversion war. Puh!
Auf großer Fahrt? Denkste!
Also nur noch Fahrkarte kaufen und hinsetzen – bzw. Halt! Stopp!! Vorsicht!!! – erst einmal einen Hechtsprung hinlegen, um den Kinderwagen wieder einzufangen. Denn da ich (natürlich) die Bremse nicht eingestellt hatte, schoss der beim Anfahren erst mal los wie ein Formel-1-Flitzer und hatte in vergleichbarem Tempo schon den halben Wagen durchquert, bevor ich ihn wieder zu fassen bekam. Doppel-Puh!
Die erste Hälfte der Fahrt brachten Fips und ich entspannt hinter uns. Für ein 3-Monats-Baby, dass gerade das Sehen entdeckt, gab es ja auch erfreulich viel zu schauen. Gelbe Haltstangen zum Beispiel. Oder den Griff des Kinderwagens. Oder – bewährt und wohlschmeckend – Mamas Hand. Die Laune war also gut! Bis wir auf halber Stecke steckenblieben. Die Durchsage des Tramfahrers war nicht eben ermutigend: „Da sind Probleme mitte Strecke. Ick weeß ooch nich, wie lange dit dauert, die Zentrale sacht ma ja nüscht!“
#weilwirdichlieben am Arsch
Da standen wir nun. Eine Viertelstunde habe ich Fips geschaukelt und spazierengetragen und wir haben wirklich jeder gelben Haltestange guten Tag gesagt. Einzeln und sehr freundlich. Leider bewegte sich dann immer noch nichts. Sollte ich ein Taxi rufen?, überlegte ich. Genug Geld müsste ich dabeihaben. Der Kinderwagen sollte bei einem normalen Mercedes-Taxi ja wohl auch reinpassen. Aber halt! Wie ist das denn mit der Babyschale? Haben Taxis sowas? Wir waren immerhin nicht im Prenzlauer Berg, sondern irgendwo hinterm Sisyphos. Da haben Taxifahrer vermutlich eher Kochsalzlösung und Traubenzucker dabei, oder was der ausgelaugte Partyfeierfreak sonst nach seiner Drufftour braucht, aber Babyschalen…?
Offenbar waren wir verloren im Nirgendwo. Keine Chance auf Taxi, keine Chance zu laufen (viel zu weit in beide Richtungen). Immerhin kam in diesem Moment die nächste Durchsage: „Strecke is dicht. Wenn’se wolln, könn’se mit mir aba wieder nach Schöneweide fah’n. Ick pendel‘.“ Na dann also wieder zurück. Während der Fahrt gab es dann noch die gute Nachricht, dass die Strecke wieder freigegeben sei und unsere Tram auch die erste sein würde, die sie wieder befahren würde: „Könn’se sitzenbleiben, wenn’se wollen.“
Ich hätte wohl gewollt. Aber Fips nicht. Fips hatte inzwischen keinen Bock mehr auf Tramfahren und obendrein Hunger. Gut, dann hätten wir den Punkt „Lauthals schreien in der Öffentlichkeit“ auf meiner To-Do-Liste der Schande auch abgehakt. Auch „Stillen in öffentlichen Verkehrsmitteln“ habe ich dann gleich in einem Aufwasch hinter mich gebracht.
Pipi-Pause und andere Notdürftigkeiten
Trotzdem entschloss ich mich, am Start- und Endpunkt Schöneweide erst einmal wieder auszusteigen: Das Kind hatte auch mit vollem Bauch keine Lust mehr auf Tramfahrt und ich hatte zu allem Übel eine volle Blase. Beides zusammen: ganz miese Kombi. Gerettet hat uns dann ein Abstecher zu meinem Friseur: Während ich eilig aufs Klo flitzte, bewachten die Mädels den halb knörigen, halb schlafenden Fips. Denn knörig hin oder her – klauen lassen will man sich sein Kind ja nicht.
Nach dem Pipi-Nothalt war die Bahn nach Friedrichshain natürlich gerade wieder weg. Aber das war halb so wild: Fips war gerade zufrieden eingeratzt und hatte mindestens eine halbe Stunde Schlaf nötig, bevor das Abenteuer Tramfahrt auch nur in den Rahmen des Erträglichen rücken würde. Also bin ich schon mal losgegangen. Ungefähr sechs Stationen und mein Tagessoll von 10.000 Schritten weit. Im eiskalten Wind. Aber was tut man nicht alles für einen glücklich schnorchelnden Minibären mit roten Bäckchen! Außerdem freute ich mich danach ganz besonders auf den heißen Kakao oder Tee, den ich mir dann im Zielcafé gönnen würde. Und auf den Keks/Kuchen/sonstige Leckerei der Wahl.
Diesmal kamen wir auch tatsächlich ohne weitere Probleme an,und hatten die eigentlich 25 Minuten Fahrt damit in eleganten zwei Stunden hinter uns gebracht. Danke, BVG! Da weiß man doch wieder #warumwirdichlieben. Nur das Zielcafé – ein „familienfreundliches“ Etablissement – stellte sich als doch nicht ganz so traumhaft heraus. Ja, ich weiß, dass ich die ganze Zeit mal andere Mamas angrinsen will, aber Himmel! Bei diesem Laden standen so viele Kinderwagen vor der Tür, dass ich erst dachten, dass sie dort damit handeln! Und das Interieur strahlte einen derartig abgespielten Kindergartenmöbel-Charme aus, dass wir lieber weitergingen.
Doch danach wurde es schwierig im hipp-trashigen Friedrichshain, denn mit einem Baby und einer Schwangeren mit dem üblichen Pipidrang in der 34. Woche gibt es nun mal besondere Anforderungen an eine Location. Cool und köstlich reicht da nicht. Der Cupcake-Laden etwa hat zwar himmlisches Hüftgold im Angebot, aber er hat kein Klo. Das nächste Café hat eins, aber dafür gibt’s – still- und bauchunfreundlich – keine Lehnen an den Bänken.
Kein Zutritt für Muttis!
Das KuchenRausch hätte beides, aber dafür gibt’s auch ein „Kinderwagen verboten“-Schild an der Tür. Hier wäre es also vermutlich auch nicht gern gesehen, wenn man neben dem fairtrade mundgeblasenen, glutenfreien Sojalatte-Macchiato der Tischnachbarn die Möppi-Milchbar eröffnete: „Mama, pack die Brüste ein! Mama, zieh dir bitte etwas an!“ Doppel-und-dreifach-Puh! So fühlt es sich also an, wenn man ausgeschlossen wird… und ich Naivchen dachte noch, in Berlin hätten die Türsteher das Sagen.
Das Ende vom Lied: Wir fanden „Simon’s Coffee“. Mit Klo, mit Lehnen und mit freundlichem Personal, das uns die Tür aufhielt und mich in dezenter Ruhe stillen ließ. Zwar ohne Wickeltisch, aber nach der „Kein Zutritt für Muttis!“-Ansage war ich demütig genug, mich darüber nicht zu ärgern. Außerdem gab es Kakao und Kekse. Und außerdem einen mittlerweile sehr ausgeschlafenen Fips, der begeistert die Lampenauswahl kommentierte und – am Ende des Tages – die problemfreie Heimfahrt mit der S-Bahn sowie den versifften Fahrstuhl komplett verschlief.
That’s how mom life works. Einen Tagebuchbeitrag war’s jedenfalls wert!