Lass dir nichts (r)einreden, Mama!

Eigentlich glaube ich, dass ich und der Fipspapa ein ganz gutes Gespür für Fips und seine Wünsche haben. Aber ein Besuch bei der Kinderärztin, zwei Artikel in einem klugen Elternmagazin und ich war durch mit den Nerven. Fix und fertig. Mein Gespür war begraben unter gutgemeinten Ratschlägen, Fachbegriffen und OhGottOhGott. 

Eines schönen Morgens las ich über *bedürfnisorientiertes Attachment Parenting und **wertschätzende Erziehung. Sprich: Man versucht, *hinter den Signalen des Kindes immer das eigentliche Bedürfnis zu entdecken (und zu erfüllen) und **man behandelt es wie einen vollwertigen Menschen, der z.B. niemals mit „Wenn, dann“-Sätzen erzogen werden darf. Beides klang interessant, denn es schien heile Kinderseelen hervorzubringen. Wäre das nicht etwas für uns? Oder machen wir einiges davon bereits, ohne das entsprechende Erziehungs-Stil-Etikett draufzupappen?

Besonders nachdenkenswert am Bedürfnisorientiert-Text war für mich außerdem der Aspekt, dass man auch als Mutter Wünsche haben und sich diese erfüllen darf (allerdings kollidierte die situationsabhängige „Nö, ich stille dich heute nicht in den Schlaf“-Ansage meiner Meinung nach mit der generellen „Ich stille mein Kind solange es will“-Aussage, aber nun ja).

Und was den wertschätzenden Beitrag anging… wie erziehe ich denn bitte ohne „Wenn, dann“? Okay, ich muss ja keine Erpressung im Stil von „Wenn du dein Mittagessen nicht isst, dann schmeiße ich deine Lieblingspuppe weg“ fahren. Aber „Wenn du dein Mittagessen nicht isst, dann gibt es kein Eis zum Nachtisch“ finde ich völlig legitim. Ich will nicht irgendwelchen Quatsch durchsetzen, aber ich finde, dass eine Erziehung mit alters- und gesundheitsgerechten Regeln möglich sein sollte. So. Oder?

Der final Breakdown: Tipps vom Kinderarzt

Ich hatte also einiges zu denken, während wir zu U4 fuhren, die ebenfalls an diesem Tag stattfand. Die Untersuchung lief auch ganz gut. Gewicht und Größe waren bemerkenswert, und damit ist Fips ganz die Mama im selben Alter.  Doch dann ging es darum, wie oft ich stille und wo Fips schläft.

Die Kinderärztin ist selbst frischgebackene Mama. Sie meinte es sicher gut als sie mir zugunsten meiner eigenen Nachtruhe empfahl, das Stillen in der Nacht doch öfter mal durch ein Schnuffeltuch zu ersetzen. Denn es wäre möglich, dass Fips in dem Moment eben nur nach Nähe und nicht nach Milch hungert. Und dann sei da ja noch das Risiko des plötzlichen Kindstods: Ich möge doch noch einmal über die ausschließliche Nutzung des Beistellbetts, möglichst mit Gitter, nachdenken.

Noch dazu kam eine winzige Kleinigkeit Fips‘ Knochengerüst betreffend. „Ein Luxusproblem“, wie die Ärztin sagte. Ganz einfach zu beheben mit ein, zwei kleinen Umstellungen im Alltag.

Bin ich eine schlechte Mutter?!

Ziemlich verwirrt verließ ich die Kinderarztpraxis. Fips war nach kurzem Geschrei nach der Impfung in Tiefschlaf gesunken, und ich hatte Zeit, um noch mehr zu grübeln.

Das Stillen in der Nacht. Ja, anstrengend für mich, weil ich in letzter Zeit drei, vier Stunden Schlaf am Stück schon quasi als Urlaub betrachte, aber nun… oh Gott! Mein Kind ist sowieso schon so pudelrund! Und da füttere ich es noch extra-extra? Und ja, der plötzliche Kindstod! Ich muss das Beistellbett wirklich mehr nutzen. Dieses schreckliche Beistellbett, in dem Fips so ungern einschläft und das mir beim Stillen die miesesten Verspannungen einträgt. Aber was wäre ich denn für eine Mutter, wenn ich nicht…? Wessen Bedürfnis folge ich denn da jeweils? Sind es nicht meine eigenen, ist es nicht die Faulheit, müsste ich nicht mehr…? … besser? … überhaupt?

Diesem Gedankenstrudel folgte ein grausiger Abend. Normalerweise stille ich Fips in den Schlaf, es ist Teil unseres Rituals. Aber heute wollte ich es ja besser machen. Ich legte Fips also vorschriftsmäßig ins Beistellbettchen, quetschte mich zum Stillen irgendwie daneben und fühlte mich furchtbar. War das wirklich Hunger? Oder gebe ich doch nur das Schnuffeltuch…?

Geschrei.

Nein, das Schnuffeltuch war nicht gewünscht. Brust war gewünscht und jetzt fühlte ich mich erst recht wie ein Versager. Sicher hatte ich meinem Kind bereits im zarten Alter von drei Monaten ein grausames Fehlverhalten antrainiert!

Kopfwäsche per WhatsApp

Zum Glück sprang in diesem Moment die Mutti-Community in die Bresche. Mit zwei vertrauteren Insta-Mamas tauschte ich mich über den fürchterlichen Tag und meine ausgiebige Verunsicherung aus. Dabei hatte ich das Glück, nicht zwei weitere Meinungen zu finden, sondern den Rücken gestärkt zu bekommen.

Ja, am Anfang war Fips eine brennende Stange Dynamit und gestillt und gewindelt wurde nach der Uhr – aber das war einmal. Inzwischen haben wir viele Zeichen zu lesen gelernt. Wir wissen, dass sich hinter „meh!“ der Hunger versteckt. Wir wissen, dass es bei viel Getümmel schwer ist, in den noch so nötigen Schlaf zu finden, und dann Ruhe her muss. Wir wissen, dass Fips beim Essen auf unserem Schoß sitzen will. Generell tragen und kuscheln wir recht viel.

„Lass es doch mal schreien!“, sagte mein Opa neulich. Er liebt nichts mehr als sein Urenkelchen, aber trotzdem hält er einen handfesten Kreischanfall hier und da für eine gute Sache. Diese Ansicht teilen wir nicht, und von ihm lasse ich mir da auch nicht reinreden. Normalerweise lasse ich, lassen wir uns überhaupt nicht reinreden. Daran erinnerte ich mich nach einer ausgiebigen WhatApp-Besprechung wieder.

So traute sich mein plattgedrücktes Gespür für meine Art des Mama-Seins langsam, ganz langsam, wieder aus der Panikecke hervor. Verwöhnen wir unser Kind mit all der Nähe und Zuwendung? Ich weiß es nicht. Was ich weiß ist, dass wir in der Regel ein sehr ausgeglichenes, frohes und zufriedenes Baby haben. Und das übersetze ich mit offenbar nicht alles falsch gemacht. Was ich ziemlich okay finde für den ersten Versuch.

Ich bin keine schlechte Mutter. Ich mache Fehler, ganz sicher, aber ich gebe mein Bestes, so wie es sich gut anfühlt. Dabei bleibe ich und wenn ich es mal wieder vergessen sollte, dann erinnert mich dieser Text hoffentlich wieder daran, dass ich es – wie jede Mutter für ihr Kind – ganz tief drinnen eigentlich besser weiß. Alles andere sind Meinungen, ungebetene und manchmal erbetene Ratschläge, aber entscheiden tun letztendlich nur wir selbst.

So go for it, Mama.

4 Gedanken zu “Lass dir nichts (r)einreden, Mama!

  1. Becky schreibt:

    Oh Mensch, das kenne ich sie SOOOO gut. Lass dich nicht verunsichern! Ich bin auch ganz der Meinung, dass die Mutter in den meisten Fällen intuitiv genau richtig handelt. Manche Kinder schlafen halt echt schnell durch, manche wachen jede Stunde auf und wollen trinken (war bei meiner genauso, die ist jetzt 4). Ist das manchmal anstrengend? Sicher! Aber deswegen habe ich auch nicht auf die ganzen „Lass sie doch einfach schreien“ oder „Die muss das auch lernen“ gehört und ich würde es immer genauso machen.
    Man bekommt so viele Kommentare, jeder meint, er wisse Bescheid und Recht machst du es nie allen. Also mach es vor allem dir und dem Kleinen Recht, das ist doch das wichtigste.
    Lange Rede, kurzer Sinn: Jeder ist anders und du machst einen sehr empathischen Eindruck. Lass dir nicht reinreden.
    Liebe Grüße, Becky

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    • Sabine Wirsching schreibt:

      Vielen lieben Dank!!! Es ist komisch, jeder anderen Mama würde ich diesen Rat auch in voller Überzeugung geben… und selbst lässt man sich dann manchmal doch wieder verunsichern. Aber ich halte durch und nehme unseren weg. Danke für deine lieben worte!!

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  2. Johanna schreibt:

    Ich bin heute auf Deinen Blog gestossen und erkenne mich so wieder in dem, was du schreibst. Vielen Dank, das tut wirklich gut, gerade wenn man mal etwas müder ist nach ein paar schlaflosen Nächten und an seinen Prinzipien zweifelt. Ich freue mich schon auf mehr 🙂

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    • Sabine Wirsching schreibt:

      Liebe Johanna, willkommen! Der Zweifel kommt immer wieder, das kenne ich nur zu gut. Mir hilft es ja dann immer, mir das Ganze ein wenig von der Seele zuschreiben… umso schöner, wenn man dann auch anderen Mut machen kann! Lass dich nicht unterkriegen!

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