Die Top-7-Momente meiner Geburterfahrung

Vom Zeitpunkt der Einleitung bei ET +10 bis zum offiziellen Zeitpunkt der Geburt brauchte ich ziemlich genau vierzehn Stunden. Vierzehn Stunden, die so voll und ausfüllend, so neu und gewaltig, so alles verändernd waren wie nichts zuvor. Vierzehn Stunden – das ist nicht lang für eine Erstgeburt und fühlte sich bei aller Zeitlosigkeit an wie die Ewigkeit.

Für eltern.de habe ich noch einmal die sieben Momente zusammengefasst, die ich von diesen vierzehn Stunden niemals vergessen werde.

Der (erste) Peinlichkeits-Moment

Auf meiner „Wunschliste“ für die Geburt(svorbereitung) stand ein Einlauf ganz oben. Nicht, dass ich das wirklich schon immer mal haben wollte – aber ich fühlte mich besser bei der Aussicht, im fraglichen Moment wirklich nur Babydruck und nichts anderes zu verspüren. Tja, von einer Hebamme eine Ladung warmes Wasser in den Po verpasst zu bekommen, ist das eine. Auf dem Gang auf und ab zu laufen, damit dieses Wasser optimal wirkt und dann vor den Augen des geliebten Mannes aufs Klo zu hechten, ist das andere. Aber: Ich hatte mir vorgenommen, dass mir an diesem Tag nichts, aber auch gar nichts peinlich sein würde.

Ein guter Entschluss übrigens, denn der Einlauf war erst der Anfang. Während des zweistündigen CTGs nach Verabreichung des Einleitungsgels würde ich wegen unerträglichen Pipidrangs außerdem eine Bettpfanne benötigen (netterweise ging der Fipspapa so lange raus). Später würde ein krampflösendes Zäpfchen folgen (in seiner Gegenwart, denn darauf kam es schon nicht mehr an) und dann… nun ja, lest selbst.

Der Tiger-Moment

Ich würde während der Geburt nicht laut werden, das hatte ich mir fest vorgenommen. Denn ich bin kein lauter Mensch, im Gegenteil. Entsprechend wollte ich bei der Geburt nicht krakeelen wie eine Irre – das hatte ich bis dato obendrein eher als Anzeichen von Schwäche empfunden. Als Zeichen von „der Schmerz ist zu viel für mich“. Denn Schmerz kann ich eigentlich gut aushalten, und entsprechend wollte ich auch den Geburtsschmerz hypnobirthingmäßig entspannt veratmen.

Das änderte sich nach genanntem Buscopan-Zäpfchen: Meine bis dahin unregelmäßigen und ineffektiven Wehen entschlossen sich danach nämlich, ernst zu machen. Wir hatten uns gerade noch auf der Wochenbettstation im Zimmer einrichten können, da ging es los. „Wie ein Tier“ hätte ich mich auf dem Bett im Kreis gedreht, beschreibt der Fipspapa diesen Moment.

Genauso fühlte ich mich auch. Auf allen vieren war ich, schaukelnd und schwankend wie eine Tigerin im Käfig – unbezähmbar stark, aber in einer ganz anderen Welt. Das Prinzip der Stille habe ich in diesem Augenblick ohne Nachzudenken aufgegeben: Durch die Nase einatmen, durch den Mund aus – dieser Vorsatz hielt noch. Aber ich konnte (und wollte) nicht mehr still und schweigsam sein. Ich musste stöhnen, tönen, die Macht in mir irgendwie verteilen: Im Tiger-Moment verstand ich, dass Schreien nicht Schwäche sein muss, sondern dass sich darin vielmehr eine verborgene Kraft ihren Raum schafft.

Der Knalleffekt-Moment

Das erste Stöhnen auf der Wochenbettstation war jedoch gar nichts gegen den Knalleffekt-Moment. Als er eintrat, saß ich für die Situation sehr fröhlich in der Geburtswanne, um durch die Wärme die Wehen erträglicher zu machen und mich zu entspannen. In der einen Sekunde machten wir noch ein Foto von mir als Buddha – relaxt, dickbäuchig, lächelnd –, und im nächsten Augenblick platzte die Fruchtblase. Für einen Moment brach die Hölle los.

Der knallende Peitschenschlag in mir erschreckte das Baby, brachte mein Inneres in Aufruhr und bescherte mir den einzigen Panik-Moment der ganzen Geburt: Ich war völlig überrascht, überrannt, überfordert, über-alles; das Einzige, was noch ging, war am-Mann-festkrallen und Brüllen. Und zwar derartig dringlich, dass ruck-zuck die Hebamme angelockt wurde.

In drei Anläufen (es kamen immer wieder Wehen dazwischen) wurde ich aus der Wanne gehievt. Draußen stand ich auf so wackligen Beinen, dass mir der Fipspapa die Flipflops anziehen musste – und während er noch vor mir kniete, platschte ihm eine Ladung blutiges Fruchtwasser vor die Füße.

Mein Mann, wenn ich in dieser Liste den Moment aufführen müsste, in dem ich am stolzesten auf dich war: Hier ist er. Dass du das ohne mit der Wimper zu zucken weggesteckt hast, hat unendlich gut getan. Es ist so kostbar, sich nicht vor dem schämen zu müssen, den man liebt. Ich liebe dich dafür und für so vieles mehr an diesem Tag, was wir zusammen durchlebt haben.

Der Scheißegal-Moment

Aber halt – auch das Fruchtwasser war noch nicht alles. Nachdem der Blasensprung erfolgt war und ich diese Überraschung verarbeitet hatte, war ich wieder froh: Ich wusste, jetzt war alles in Fahrt. Die Wehen würden nicht wieder aufhören (wie sonst bei Einleitungen häufig) und jetzt würde es nur noch den Weg nach vorn geben. Alles, was jetzt käme, wäre Fortschritt.

So war es auch. Von 2-3 Zentimetern war der Muttermund plötzlich ganz geöffnet und schließlich kam für mich einer schönsten Sätze des Tages: „Das sind die Presswehen, Sie können mitmachen.“

Inzwischen lag ich seitlich und krallte mich sowohl am Bett als auch am Fipspapa fest. Der hielt außerdem mein linkes Bein hoch, während die Hebamme bei jeder Presswehe gegen meinen Po drückte. Dazwischen legte sie mir heiße Ölkompressen auf… und wischte unauffällig weg, was ich mit der Einlaufpremiere am frühen Morgen so unbedingt hatte vermeiden wollen. Aber mir war es in diesem Moment wortwörtlich scheißegal. Ich wollte das Baby; für alles andere hatte ich keine Gedanken übrig.

Interessanterweise ging es dem sonst extrem geruchs- und würgereizempfindlichen Mann genauso. Das Baby war auf dem Weg. Was da sonst noch mitkam, war unwichtig. Also an dieser Stelle noch mal ein dickes Respekt! an alle Männer, die sich Geburten nicht zutrauen: Ihr würdet staunen, was ihr alles schaffen könnt. Traut euch! Keiner verlangt, dass ihr steinhart seid – Hauptsache, ihr seid da.

Der Tränen-Moment

Denn dass ich es bald geschafft haben würde, wusste ich in dem Augenblick als der Fipspapa in Tränen ausbrach. Inzwischen hatte die Hebamme die Ärztin herbeitelefoniert („Kommen Sie zur Geburt“, war der zweite Lieblingssatz des Abends) und ihm war ein Platz am Kopfende zugeteilt worden.

Da stand er nun, drückte mir auf Kommando den Kopf auf die Brust, und schluchzte mir in die Haare. Ich konnte nichts sagen, aber ich hab ihn in diesem Moment sehr geliebt und war unaussprechlich dankbar, dass er die ganze Zeit an meiner Seite war.

 Der Köpfchen-Moment

Dass wir wirklich ein Baby bekommen würden, hatte ich immer noch nicht realisiert. Klar, ich hatte neun Monate diesen dicken Bauch gehabt, in dem eine Tanzparty nach der anderen gefeiert wurde, und wir waren im Kreißsaal – aber ein Baby?! Das war nach wie vor nicht bei mir angekommen. Bis die Hebamme sagte: „Das Köpfchen guckt schon, wollen Sie mal anfassen?“

Ohne zu überlegen langte ich nach unten, und wo noch nie etwas gewesen war, berührten meine Finger weiche Härchen und ein butterzartes Köpfchen. Wenn irgendein Moment des Tages voller Magie steckte, dann dieser. Wir würden wirklich ein Baby bekommen.

Der Ach-ihr-seid-das-Moment

Dieses Baby ließ dann auch nicht mehr lange auf sich warten. Ganz blau kam es wohl auf die Welt, aber als es auf meinem Bauch landete, war es schon rosig und wunderhübsch. Auch der erste Schrei dauerte nicht lang: Kaum lag das Kind auf meiner Brust und hörte unsere Stimmen, da wurde es still. Mit großen, wissenden Augen schaute es uns an: Ach, ihr seid das. Euch kenne ich.

Ein Moment nur und alles ist neu auf der Welt. Seitdem sind wir nicht mehr eins und eins, und wir sind auch nicht mehr zwei: Wir sind Familie.

Sieben Momente… die nicht nur mein ganzes Leben, sondern auch meine Sicht auf mich selbst verändert haben. In mir steckt eine Kraft, die – Achtung, Kitsch! – aus meinem Frau-Sein kommt. Eine Kraft, die meinen Körper neu definiert hat und mir einen ganz neuen Respekt vor mir selbst geschenkt hat. Und die mir hoffentlich durch die nächsten Monate und Jahre hilft, um immer die nötige Liebe und Geduld für unser neues Familien-Dasein aufzubringen.

9 Gedanken zu “Die Top-7-Momente meiner Geburterfahrung

  1. Ani schreibt:

    Ich warte selber grade auf die Geburt unseres ersten Kindes, auch ein Sohn. Heute bin ich ET+3, das warten ist eine echte Geduldsprobe. Ich liebe es, deine Berichte zu lesen. Jeder Wochenbettbericht und dieser hier rühren mich zu Tränen. Du schreibst toll. Direkt, ehrlich und doch so emotional. Echt toll.
    Danke dafür. Ich habe das Gefühl, dass mir deine Berichte helfen. Schreib mehr, bitte! 🙂
    Ich habe es selbst (auch) noch nicht komplett begriffen, dass da in Kürze ein Baby bei uns einzieht. Der dicke Bauch, alle die Klamotten und Vorbereitungen die hier eingezogen sind, sagen mir vom Verstand her natürlich, dass wir ein Kind bekommen. Aber dennoch ist da der Unglaube, der wahrscheinlich erst aufhört, wenn das Baby auf der Welt ist. Und ich es mit nach Hause nehmen darf. Nicht wieder abgeben muss.
    Und ich freue mich wahnsinnig auf diese emotionale Erkenntnis, auf diesen Moment der Wahrheit und Liebe.

    Danke noch mal für deine tollen Beiträge! ♡

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  2. Sofasophia schreibt:

    Sehr schön das.

    (Aber was ich wirklichwirklichwirklich nicht verstehe: Warum für dich eine Geburt und alles was damit verbunden ist, irgendwie auch nur im Geringgsten peinlich oder beschämend ist … das wäre mir damals nicht im Traum eingefallen … das ist doch alles einfach Natur.)

    Ich grautuliere euch herzlich zum Familiesein und wünsche euch alles Gute!

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  3. Claudia Herzohr schreibt:

    Wirklich toll erzählt, deine Geburt! Besonders wie du diese Kraft beschreibt: Eine Kraft die in dir steckt und aus seinem Frau sein kommt. Jetzt wo ich das lese kann ich dies nur bestätigen. Zum Zeitpunkt der Geburt bzw beim darüber Schreiben kam die uberwältigende Kraft aus dem nichts, weil ich nicht wahrhaben konnte, wie viel kraft in mur steckt.
    Vlt hast du ja auch Lust meinen Bericht zu lesen.Buch würde mich freuen:)

    https://herzohr.wordpress.com/2018/01/26/unsere-traumgeburt-im-geburtshaus-duesseldorf/

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